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Im Hintergrund. Großbritanniens Hoffnung für den Eurovision Song Contest, Jade Ewen, begleitet Webber am Flügel.

© REUTERS

Musik: Der richtige Ton

Andrew Lloyd Webber trifft ihn immer wieder. Ob als Musicalproduzent – oder als Gönner junger Talente.

Ist das nun großzügig oder knauserig, wenn ein echter „Sir“, dessen Privatvermögen auf über eine halbe Milliarde Pfund geschätzt wird, 150 000 davon an ein Theater spendet? Ein bisschen von beidem, ansonsten aber nur eine Randnotiz im Leben von Sir Andrew Lloyd Webber, der durch Musicals wie „Jesus Christ Superstar“, „Evita“, „Cats“, „Starlight Express“ oder „Das Phantom der Oper“ reich geworden ist. 150 000 Pfund jedenfalls, so verkündete Webber vor kurzem, wolle er für die Förderung von jungen Stückeschreibern an Londons Royal Court Theatre überweisen. Geld, das gar nicht so viel mit Musicals zu tun hat – es stammt aus einem Fond, den Webber mit dem Verkauf eines 31-Millionen-Pfund teuren Picasso-Bildes finanziert hat.

Geld ist ein naheliegendes Thema, wenn man über den Londoner Musical-Giganten spricht, aber nicht das einzige: Vor wenigen Tagen, am 22. März, ist Lloyd Webber 64 Jahre alt geworden. Ebenfalls eine Randnotiz, die britischen Medien ignorierten das Ereignis. Dabei hätte ein Aufschrei folgen müssen: „64? Wirklich erst 64?“ Seine Musicals, die zum Teil seit Jahrzehnten laufen, vermitteln das Gefühl, als sei er schon immer da gewesen.

Und es sieht so aus, als würde er auch noch eine Weile bleiben: Eine Prostatakrebserkrankung hat er überstanden, Castingshow heißt seine nicht ganz neue Idee. Im „Sich-inspirieren-Lassen“ gehörte Webber schon immer zu den Könnern seines Fachs. Gemeinsam mit dem britischen Privat-TV-Sender ITV jedenfalls plant Webber die Castingshow „Superstar“. Gesucht wird der Mann – oder die Frau! – die bei einer Neuauflage seines Jesus Christ Superstar die Titelrolle übernehmen sollen. Das Ganze wird in einer Tour durch britische Großhallen gipfeln, Webber, der schon in der Jury von Shows wie „American Idol“ saß, soll selbst über die Kandidaten richten. Und angeblich bemüht sich Webber, auch den U2-Sänger Bono mit in die Jury zu holen.

Expertise, das steht außer Frage, bringt Andrew Lloyd Webber mit. Nur ein Beispiel: Sein Musical „Das Phantom der Oper“ hat sowohl in Londons West End als auch am New Yorker Broadway jeweils über 10 000 Aufführungen erlebt und wird an beiden Orten nach wie vor gespielt – ununterbrochen seit 1986 beziehungsweise 1988. Und auch Deutschland bekommt nicht genug: „Starlight Express“ gilt so manchem Kritiker zwar als eines der schwächsten Webber-Musicals, es ist aber gleichzeitig das hierzulande am längsten laufende. Seit 1988 ist es nonstop in einer extra dafür erbauten Halle in Bochum zu sehen.

Webber, 1948 als Sohn einer Pianistin und eines Komponisten in London geboren, wurde im Laufe seiner Karriere mehrmals vorgeworfen, musikalische Anleihen bei großen alten Komponisten und einigen Zeitgenossen vorgenommen zu haben. Geschadet haben ihm diese Vorwürfe nicht, sie verhinderten weder die Verleihung der Ritterehre 1992 noch die Überreichung von bislang drei Grammys und sieben Tonys. Im Sommer folgt eine weitere Ehre. Zum 60. Thronjubiläum von Queen Elizabeth II. schreibt Webber gemeinsam mit Take-That-Mitglied Gary Barlow einen ganz besonderen Song: Verschiedene Musiktraditionen und Musiker aus dem gesamten Commonwealth sollen in ihm vereint werden. Möglich, dass dabei ein neuer Hit im Stil von „Don’t Cry For Me, Argentina“ herauskommt. Aber auch möglich, dass danach niemand mehr von diesem Lied sprechen wird. Das ist Webber schon einmal passiert, bei Elvis Presleys „It’s Easy For You“, ein Song auf dem letzten Album des „King“.

Für Musical-Fans sehr viel interessanter dürfte sein, dass Webber ein neues Stück plant, sein 14. Im Interview mit der BBC verriet er , die sogenannte „Profumo-Affäre“ auf die Bühne bringen zu wollen. Der Skandal um den britischen Kriegsminister John Profumo, der 1963 nach einer Affäre mit dem Model Christine Keeler zurücktreten musste, bietet jede Menge Drama, Tränen und Lügen. Aber nicht Profumo, sondern die Figur des Stephen Ward, der die beiden verkuppelte und am Ende, als alles aufflog, Selbstmord beging, interessiert Webber dabei besonders. Die Profumo-Affäre war vor ein paar Jahren schon einmal unter dem Titel „A Model Girl“ als Musical auf einer Londoner Bühne zu sehen. Sir Andrew Lloyd Webber bliebe der Devise treu, dass der wirkliche Künstler nicht selbst erfindet, sondern sich inspirieren lässt. Webber-Anhänger werden es ihm danken.

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