zum Hauptinhalt
Die katholische Ordensschwester und Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa soll heilig gesprochen werden.

© dpa

Mutter Teresa und die Heiligsprechung: "Sie liebte die Armut, nicht die Armen"

Es hat lange gedauert, aber jetzt ist die Entscheidung gefallen: Mutter Teresa wird heiliggesprochen. Das ist ganz im Sinn von Papst Franziskus.

Dass dieses Ereignis der Publikumsrenner schlechthin werden könnte in einem ansonsten vor sich hindümpelnden „Heiligen Jahr der Barmherzigkeit“ – das vermuten, erhoffen, befürchten die Römer schon lange. Am Dienstag nun hat der Vatikan endlich alle Gerüchte bestätigt: Am 4. September wird Mutter Teresa von Kalkutta heilig gesprochen. Dreihunderttausend Menschen – so viele drängten sich auf dem Petersplatz und drumherum, als Johannes Paul II. die körperlich so winzige Ordensfrau 2003 in den Kreis der Seligen aufnahm. Und auch wenn die indischen Bischöfe seit langem drängen, Franziskus solle zur Heiligsprechung nach Kalkutta reisen, hat der Vatikan sofort klargestellt: Das Fest findet zentral in Rom statt; Mutter Teresa gehört der ganzen Welt.

Das tut sie ohnehin schon. Mutter Teresa, die 1910 im heutigen Mazedonien gebürtige, von einem irischen Schwesternorden in die indische Mission gesandte und 1997 in Kalkutta gestorbene Albanerin Anjezë Gonxhe Bojaxhiu, gilt nach einer US-Rangliste als die „meistbewunderte Frau des 20. Jahrhunderts“. 1979 bekam Mutter Teresa den Friedensnobelpreis; selig gesprochen wurde sie rapide, bereits sechs Jahre nach ihrem Tod. Johannes Paul II. hatte dafür die kirchenrechtlichen Wartezeiten genauso aufgehoben, wie sie nachher für ihn selbst aufgehoben wurden. Doch während in Indien, religionsübergreifend, viele hinduistische Geistliche längst von einer Heiligkeit Mutter Teresas überzeugt sind, blieb die speziell katholische erst einmal im Vatikan hängen.

Sie küsste Leprakranke

Papst Franziskus hat nun auch die Tür dafür aufgestoßen, indem er ihr die medizinisch nicht erklärte Heilung eines Brasilianers von schweren Gehirnabszessen als ein „Wunder“ zuschrieb. Ohnehin ist Mutter Teresa ein Vorbild nach Franziskus‘ Geschmack: Hinausgegangen aus der wohltemperierten Kirchenstube, in diesem Fall aus einem Erziehungsinstitut für britische höhere Töchter in Indien, stieg Mutter Teresa in die „Peripherie“ des menschlichen Lebens hinab, sammelte Sterbende von den Straßen Kalkuttas, um ihnen einen würdevollen Tod zu ermöglichen.

Sie küsste Leprakranke – so wie Franziskus jeden Mittwoch Kranke küsst, um ihnen menschliche Nähe zu vermitteln – in der gleichen „Revolution der Zärtlichkeit“ und gegen den „Ausschluss für wertlos erachteter Menschen aus der Gesellschaft“. Wobei Mutter Teresa die christliche Barmherzigkeit nicht nur in einer besonders armen, sondern – nach ihren Kritikern – auch in schäbiger Form verkörperte: Sie bekam hunderte Millionen Dollar an Spenden – der medizinische Standard ihrer Krankenhäuser aber spottete jeder Beschreibung. „Sie liebte die Armut, nicht die Armen“, fasste der mit seinen Einwänden auch im Vatikan auf Nachdenken gestoßene britische Journalist Christopher Hitchens zusammen: Sie beließ es beim „Leiden als einem Geschenk Gottes“, tat aber nichts, auch politisch nichts, es zu überwinden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false