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Panorama: Muttersöhnchen schützt das Gesetz

Amtsrichter verbietet Italienerin den erwachsenen Sohn aus dem Haus zu weisen VON BIRGIT SCHÖNAUKinder, sagt ein italienisches Sprichwort, sind Teile des eigenen Herzens.Von denen trennt man sich nicht freiwillig - und man wirft sie schon gar nicht aus dem Haus.

Amtsrichter verbietet Italienerin den erwachsenen Sohn aus dem Haus zu weisen VON BIRGIT SCHÖNAU

Kinder, sagt ein italienisches Sprichwort, sind Teile des eigenen Herzens.Von denen trennt man sich nicht freiwillig - und man wirft sie schon gar nicht aus dem Haus.Das mußte jetzt auch eine Mutter aus der norditalienischen Stadt Ferrara erfahren, die ihren erwachsenen Sohn aus dem Haus bekommen wollte.Mehrfach forderte sie den 24jährigen auf, die gemeinsame Wohnung zu verlassen.Dann faßte sich die 46jährige Hilfsarbeiterin ein Herz und wechselte die Türschlösser aus. Der junge Mann wollte zurück zu Mamma und zog deshalb vor Gericht.Und Amtsrichter Francesco Salzano gab ihm Recht: "Ich kann nicht feststellen, daß der Sohn durch sein Benehmen das Zusammenleben unerträglich gemacht hat", befand der Jurist.Also müsse die Mutter ihn wieder aufnehmen.Mit dieser Entscheidung löste der Richter im Land der Mamma einen Sturm der Entrüstung aus."Muttersöhnchen - gesetzlich geschützt", hieß es am Montag in einem Leitartikel auf der Titelseite der auflagenstarken "La Repubblica." Von einem tyrannischen Ehemann hätte sich die Frau aus Ferrara ohne weiteres scheiden lassen können, wetterte der Schreiber des Kommentars, aber von ihrem nicht minder tyrannischen Sohn dürfe sie sich nicht trennen."Kinder müssen wir ertragen, bis der Tod uns scheidet." Die Mamma aus Ferrara, schwärmte "La Repubblica", sei auf jeden Fall "eine Heldin unserer Tage", weil sie es gewagt habe, einer verlogenen Familienideologie die Stirn zu bieten.Die Entscheidung, den Sohn herauszuwerfen, habe sie sich gründlich überlegt, rechtfertigte sich die resolute Mamma.Aber es sei so nicht mehr weitergegangen.Der Filius habe ein sicheres Einkommen, denke aber nicht daran, sich an den Kosten für den Haushalt zu beteiligen.Sie müsse als alleinerziehende Mutter für ihn und seine elfjährige Schwester aufkommen.Damit nicht genug: Sie werde von ihm herumkommandiert wie ein Dienstmädchen. Daß ein Familienstreit die Titelseiten erobert, ist sicher eine italienische Spezialität.Allerdings sind die Italiener auch die ärgsten Nesthocker Europas: 52 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen über 30 Jahre leben noch bei den Eltern.Bei den unter 25jährigen Männern sind es sogar 95,5 Prozent."Man muß sich trennen können", sagt angesichts dieser Statistik der Präsident des staatlichen Fernsehens RAI, Enzo Siciliano."Mit spätestens 24 Jahren sollten die Kinder aus dem Haus gehen.Die Bindung an die elterliche Waschmaschine allerdings bleibt."Siciliano spricht aus Erfahrung - sein 28jähriger Sohn ist gerade ausgezogen.Das Nesthockertum der Italiener entspringt wirtschaftlichen Zwängen - die Jugendarbeitslosigkeit liegt weit über dem europäischen Durchschnitt - aber auch der immer noch weitverbreiteten Mamma-Ideologie.Amtsrichter Salzano hat den Muttersöhnchen nun wieder Wasser auf ihre Mühlen gegeben.

BIRGIT SCHÖNAU

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