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Nach Explosion in Chemiefabrik: Anwohner warten immer noch auf Rückkehr in ihre Häuser

Drei Monate nach einer Explosion in einem Chemiewerk sind viele Häuser in der unmittelbaren Nachbarschaft immer noch unbewohnbar. Die Anwohner leiden unter den Folgen des Unfalls.

Elf Wochen im Wohnmobil: Für manche ist das ein Traum. Für Uwe und Jutta Vanester dürfte es eher ein Albtraum sein, dass sie seit dem 9. September im Campingbus leben müssen. Damals flog in Ritterhude bei Bremen ein Chemiewerk in die Luft. Schlimm genug, dass ein Firmenmitarbeiter die Explosion mit dem Leben bezahlte. Die Druckwelle beschädigte aber auch rund 40 Privathäuser. Denn der Betrieb liegt in einem Wohnviertel. Acht Häuser, so hat es die Gemeindeverwaltung ermittelt, sind seitdem unbewohnbar. Von einer Sekunde auf die andere verloren auch Jutta und Uwe Vanester ihr Zuhause.

Zum Glück konnten sie in ihr Wohnmobil ausweichen. Es parkt seitdem 800 Meter weiter: vor Jutta Vanesters Fahrradladen. Der ist mit Bad und Küche ausgestattet, so dass die Heimatvertriebenen nicht allein auf ihren Camper angewiesen sind. In dem Laden war an jenem Abend nur die Schaufensterscheibe zu Bruch gegangen. Uwe Vanester ist einer von 60 Betroffenen, die sich zur „Interessengemeinschaft Kiepelbergstraße“ zusammengetan haben. Er weiß Bescheid über die Nachbarn, die ebenfalls ihre Häuser verlassen mussten. Sie kamen zum Beispiel in Ferienwohnungen unter, die von hilfsbereiten Bürgern zur Verfügung gestellt wurden.

Die meisten Explosionsgeschädigten werden Weihnachten noch nicht wieder zu Hause feiern können. Bis alle zerstörten Mauern neu hochgezogen, alle Fenster ersetzt, alle Dächer gedeckt sind, kann es noch Monate dauern, sagt Vanester. Seinen eigenen Schaden taxiert er auf 150000 bis 200000 Euro, einschließlich seiner drei demolierten Oldtimer-Autos. Eine Nachbarsfamilie, so erzählt er, rechne mit 200000 Euro allein fürs Haus. Sie streite sich gerade mit ihrer Gebäudeversicherung, ob die Schäden nur notdürftig repariert würden oder ob nicht gleich ein Neubau sinnvoller wäre. „Bei manchen Versicherungen muss man um die Schadensregulierung kämpfen“, sagt Vanester.

Die Anwohner hatten schon immer ein ungutes Gefühl gehabt: Eine Fabrik, die Chemieabfälle wiederaufarbeitet, direkt neben Wohnhäusern – kann das gutgehen? Doch alle Warnungen halfen nichts. Weder die 15000-Einwohner-Gemeinde Ritterhude noch die Baubehörde des Landkreises Osterholz oder das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven sahen eine rechtliche Handhabe, um den Betrieb aus der Siedlung zu vertreiben. Viele haben es immer schon verwunderlich gefunden, dass der Firmenchef jahrelang großzügig Weihnachtsgeschenke an die Behörden verteilte, auch an Jörg Mielke (SPD), damals Osterholzer Landrat, heute Chef der Niedersächsischen Staatskanzlei. „Wer gut schmiert, der gut fährt“, behaupten Anwohner. Aber Ritterhudes Bürgermeisterin Susanne Geils findet: „Früher war das völlig normal und problemlos, weil kein Mitarbeiter sein Handeln davon abhängig gemacht hat.“ In einem ist sich die Sozialdemokratin mit den Geschädigten einig: „Für uns als Gemeinde und auch für den Landkreis ist vollkommen klar, dass diese Firma niemals dort wieder angesiedelt wird, niemals!“

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