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Der Nationalpark grenzt im Süden unmittelbar an die Millionen-Metropole Nairobi. Und die Stadt breitet sich immer weiter aus.

© dpa

Nairobi: Eisenbahnstrecke soll mitten durch Nationalpark gebaut werden

In Nairobi soll eine neue Eisenbahnlinie entstehen – sie würde den berühmten Nationalpark teilen und vieles zerstören.

Es sei doch „fast ein Wunder“, dass es der kenianischen Hauptstadt gelungen sei, seit 1946 einen Nationalpark in Sichtweite des Stadtzentrums zu erhalten, findet Eric Solheim. Der neue Chef des UN-Umweltprogramms hat sich vor ein paar Wochen selbst ein Bild von der Anlage gemacht. Umweltschützer und Maasai, denen das Land einst gehörte, befürchten, dass der Park kleiner und kleiner wird. Das jüngste Problem: Eine neue Eisenbahnlinie soll mitten durch den Park führen und ihn mehr oder weniger in der Mitte teilen. Im Endausbau soll der neue Schienenweg von der Hafenstadt Mombasa bis nach Malaba an der Grenze zu Uganda geführt werden.

Die Strecke von Mombasa nach Nairobi ist fast fertig. Die Baustelle ist im Spätsommer bis Athi River vorgerückt. Die Schiene steht auf Stelzen in Sichtweite zur immer verstopften Mombasa-Road. Athi River war vor zehn Jahren noch Kilometer weit von Nairobi entfernt. Im Süden des Internationalen Flughafens schließt sich der Ort heute nahtlos an. Von dort führt eine Straße nach Kitengela. Auch das war mal eine Kleinstadt, die am südwestlichen Ende des Nationalparks gelegen war. Inzwischen breitet sie sich immer weiter in Richtung Park aus und wächst mehr und mehr mit Ongata Rongai zusammen, einer weiteren Kleinstadt, die im Nordwesten des Nationalparks beginnt. Dieser wird inzwischen von Siedlungen regelrecht umzingelt.

Inzwischen leben dort mindestens vier Millionen Menschen

Alle Städte haben gemeinsam, dass sie mit einer zweispurigen Straße mit Nairobi verbunden sind, auf der ihre Bewohner stundenlang im Stau stehen. Die Infrastruktur Nairobis und der Satellitenstädte darum herum ist dem Bevölkerungswachstum nicht gewachsen. Nairobi war Ende des 19. Jahrhunderts von den Briten für 50 000 Einwohner geplant worden. Inzwischen leben dort mindestens vier Millionen Menschen, im Umkreis sind es fast sieben Millionen Menschen.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Zentralregierung Nairobi mit Autobahnen durchzogen. Dafür mussten sich beispielsweise im größten Armenviertel der Stadt, Kibera, Zehntausende Menschen eine neue Bleibe suchen. Ihre Häuser wurden wegen des Baus einer Umgehungsstraße platt gemacht wurden. An der Notwendigkeit einer Bahn zweifelt daher niemand prinzipiell. Aber über die geplante Streckenführung der Regierung von Uhuru Kenyatta wird seit Beginn des Baus 2013 heftig gestritten.

Eine Grafik zeigt den Standort des Nationalparks.
Eine Grafik zeigt den Standort des Nationalparks.

© dpa

Die Weltbank hatte in einem Gutachten dazu geraten, die bestehende Eisenbahn, die von den Briten vor mehr als 100 Jahren gebaut worden war, in ihrer Spurbreite zu erhalten und zu modernisieren. Damit könne die Kapazität für den Gütertransport auf etwa 60 Millionen Tonnen erhöht werden, argumentierte die Weltbank. Für 2030 prognostizierte sie höchstens einen Bedarf von 15 Millionen Tonnen. Die Kapazität der teuersten Variante, die nun gebaut wird, ist nicht höher – der Bau ist aber um ein Vielfaches teurer. Eine chinesische Firma hat den Zuschlag ohne Ausschreibung bekommen.

Chinesische Geldinstitute haben etwa 80 Prozent des Kapitals als Darlehen zur Verfügung gestellt. Das dürfte auch der Grund für den Zuschlag gewesen sein. Die Stadt Nairobi „ist überhaupt nicht kreditwürdig und kann auf dem konventionellen Kreditmarkt nichts leihen“, sagte Roland White, der bei der Weltbank für die Finanzierung von Städten und ihrer Infrastruktur zuständig ist, dem Tagesspiegel. Kenia hat sich unter der aktuellen Regierung massiv verschuldet und steht im Ruf, korruptionsanfällig zu sein. Das gilt auch für das Eisenbahnprojekt, das alle Weltbank-Kalkulationen selbst für die teuerste Alternative übertrifft. Dabei hatte die Weltbank schon 2013 geschrieben: „Es gibt keine ökonomische oder finanzielle Begründung für den Bau einer neuen Eisenbahn mit Standardspurweite.“

Aber die Alternativ-Routen seien nun mal um ein Vielfaches teurer.

Die Eisenbahnlinie teilte schon in der Vergangenheit den größten kenianischen Nationalpark in Tsavo Ost und Tsavo West. Der „Lunatic Express“, bei dessen Bau bis zu 4000 indische Arbeiter an Krankheiten wie Malaria starben und etwa 100 von Löwen gefressen wurden, war schon bei der Kolonialmacht Großbritannien umstritten – nicht wegen der Opfer, sondern wegen der Kosten. Doch über die historischen Schienen konnten Giraffen, Elefanten und auch kleinere Tiere noch hinwegsteigen. Die neue Bahnlinie liegt auf einem hohen Bahndamm, der nur von wenigen Brücken durchbrochen wird. Einige Elefanten, das haben Wissenschaftler herausgefunden, finden diese Unterführungen, andere aber nicht. Nun soll der Nairobi-Nationalpark von einem Viadukt durchtrennt werden, von dem der Chef des Kenyan Wildlife Service (KWS) hofft, dass es für die Giraffen und anderen Antilopen durchlässig sein wird. Richard Leakey hat dieser Variante der Trasse zugestimmt. Vor Kurzem sagte der KWS-Chef: „Meine persönliche Wahl wäre es gewesen, den Park und die Eisenbahn getrennt zu halten.“ Aber die Alternativ-Routen seien nun mal um ein Vielfaches teurer. „Man kann den Bewohnern von Nairobi nicht sagen: Ihr müsst für immer im Stau stehen“, sagte er.

Das Umweltgericht stoppt den Bau - vorläufig

Am 26. September hatte Präsident Uhuru Kenyatta den Grundstein für den nächsten Bauabschnitt von Nairobi nach Naivascha legen wollen. Doch aufgrund einer Beschwerde der Umweltschützer von der Kenyan Coalition for Wildlife Conversation hat das nationale Umwelt-Gericht die Bauarbeiten zunächst gestoppt. Die Firmen hatten noch nicht einmal eine Umweltverträglichkeitsprüfung in Auftrag gegeben. Paula Kahumbu, Chefin der Naturschutzorganisation Wildlife Direct und die prominenteste Umweltschützerin Kenias, ist bestürzt, „dass wir einen Trend dazu sehen, große Entwicklungsprojekte innerhalb von Schutzgebieten zu bauen“, sagte sie „National Geographic“. Kahumbu führt übrigens mit Wildlife Direct eine Naturschutzorganisation, die Richard Leaky gegründet hatte. Leaky war Kahumbus Mentor, dem sie viel verdankt. Aber in der Eisenbahnfrage stehen die beiden, die lange zusammen gearbeitet hatten, zum ersten Mal gegeneinander.

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Südlich von Nairobi hat sich die Eisenbahn schon in den Park gefressen. Um Kompensationszahlungen in Athi River und dem benachbarten Dorf Mlolongo zu entgehen, ist ein Teil der Eisenbahn bereits auf Parkgelände errichtet worden, ebenso wie ein Teil der südlichen Umgehungsstraße. Noch bis in die 70er und 80er Jahre hinein bot der Nairobi-Nationalpark ein einzigartiges Naturschauspiel, das sich heute nur noch zwischen der Maasai Mara in Kenia und dem Serengeti-Nationalpark abspielt: der großen Migration der Gnus. Hunderttausende der Antilopen ziehen dem Gras und dem Wasser nach. Vor Jahren zogen sie durch die beiden grenznahen Nationalparks, um beim Amboseli-Nationalpark wieder nach Kenia zurückzukehren und über den Nairobi-Nationalpark zurück in die Maasai Mara zu ziehen. Zuletzt haben die Freunde des Nationalparks keine 300 Gnus mehr gezählt. Die große Wanderung geht längst an der Hauptstadt vorbei. Die Eisenbahnlinie ist nur ein weiterer Störfaktor, der den Park von den anderen Nationalparks im Land trennt. Die Tiere sind dort inzwischen Gefangene, obwohl sie nicht im Zoo leben sondern immer noch frei und wild vor der Kulisse der Hochhäuser in der Hauptstadt grasen.

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