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Dieses Hotelgebäude in Kathmandu steht noch. Es kann aber jeden Moment einstürzen. Deshalb wurde für Gäste ein Zelt aufgestellt. Ringsherum sind Mauern eingestürzt und der Boden ist aufgewühlt und brüchig.

© Steffen Rohner

Nepal nach dem großen Erdbeben: Angst vor Seuchen und Unruhen

Nach dem großen Erdbeben in Nepal gelingt es nicht, rechtzeitig alle Toten zu bestatten. Viele Leichen liegen in den Straßen. Die Menschen verzweifeln. Es gibt Unruhen.

Hubschrauber kreisen über den verwüsteten Dörfern. Von unten winken Menschen hoch, im Glauben, die Rettung sei nah. Doch das Gelände ist vielerorts so bergig, dass die Piloten umkehren müssen. „Wir wissen nicht mal, wie viele dort schwer verletzt sind. Wir können nicht landen, um sie zu retten. Sie werden sterben, während sie auf Hilfe warten“, sagt Kapitän Naresh Khadka, der die Rettungsflüge von Indiens Luftwaffe in Nepals Bezirk Barpak leitet, der „Times of India“. „Es ist das traurigste Gefühl, wenn ein Retter die Menschen nicht erreichen kann.“

Während in Nepals Hauptstadt Kathmandu die ersten Menschen in ihre Häuser zurückkehren, Geschäfte, Bäckereien, Banken und Tankstellen öffnen und sich zaghaft Normalität einstellt, kämpfen die Bewohner vieler Dörfer weiter ums Überleben. Knapp eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben in dem Himalajastaat sind tausende Menschen noch abgeschnitten und allein auf sich gestellt.

Besonders schlimm ist die Lage um das Epizentrum in den Regionen Gorkha, Barpak und Sindhupalchok. Städte und Dörfer dort seien fast „komplett zerstört“, berichtet das Rote Kreuz. Die Lage sei verzweifelt. In Chautara, der Hauptstadt von Sindhupalchok, seien 90 Prozent aller Menschen obdachlos. „Das Hospital ist eingestürzt“, berichtet das Rote Kreuz. „In vielen anderen Orten, die wir noch nicht erreicht haben, dürfte die Lage ähnlich, wenn nicht schlimmer sein.“

Es kann noch Tage dauern, bis Hilfe in die entlegenen Dörfer kommt

Nachbeben verbreiten weiter Angst. Am Freitag erschütterte ein neues Beben der Stärke 5,1 auf der Richterskala die indischen Andamanen und Nikobaren. Berichte über Opfer gab es zunächst nicht. Nur quälend langsam erreichen Hilfsgüter Nepals Dörfer. In Sindhupalchok attackierten laut Medien erboste Bewohner am Donnerstag einen Hilfskonvoi und raubten Container. „Wir sind keine Räuber, aber was sollen wir tun. Unsere Kinder schreien den ganzen Tag. Sie frieren und haben keine Milch“, zitiert die „Times of India“ einen der Angreifer, Som Bahadur Tamang. Es fehlt an Toiletten und Wasser.

Die Retter verzweifeln. Jede Stunde zählt. Doch es kann noch Tage dauern, bis Hilfe die Verletzten und Hungrigen in den entlegenen Dörfern erreicht. Es mangelt an Fahrzeugen und Hubschraubern. Immer wieder stoppt Regen die Rettung. Die Hilfskonvois kommen auf den holperigen, schlammigen Straßen kaum voran. Erdrutsche blockieren Wege, viele Dörfer sind nur per Fuß erreichbar. Immer wieder müssen auch die wenigen Helikopter wegen heftiger Regengüsse ihre Hilfsflüge unterbrechen. Über 6200 Leichen wurden bisher geborgen. „Wir glauben, dass 10 000 bis 15 000 Menschen getötet wurden“, sagte Armeechef Garauv Rana NBC News. „Es gibt Unruhen. Es gibt die Gefahr von Epidemien“. Laut UN brauchen 3,5 Millionen Menschen akute Nahrungshilfe und 2,8 Millionen sind obdachlos. 600 000 Häuser wurden beschädigt, 70 000 ganz zerstört.

Die Leichenhallen sind übervoll

Die Leichenhallen sind übervoll, Tote liegen aufgereiht an den Straßen. Der Gestank verwesender Körper macht den Menschen zu schaffen, die Angst vor Seuchen wächst. Die Regierung hat angeordnet, dass Tote sofort eingeäschert werden. Doch die Bestatter kommen nicht hinterher. Verletzte warten in langen Schlangen vor Zelten, in denen Ärzte provisorisch erste Hilfe leisten. „Wir behandeln 500 bis 600 Leute am Tag“, erzählt der Arzt Nikee Shrestha aus Chautara der „Hindustan Times“. „Wir brauchen Wasser, Essen und Antibiotika.“

Auch das Schicksal vieler Ausländer ist noch unklar. Wie Medien unter Berufung auf die EU berichteten, sollen sich noch 9000 Europäer im Land aufhalten. 1000 von ihnen seien noch nicht lokalisiert. Nach und nach fliegen die Urlauber aus. Am Flughafen von Kathmandu scheint sich die Lage zu normalisieren. Doch der kleine Airport mit einer einzigen Start- und Landebahn ist weiter das Nadelöhr, das die Hilfe bremst. Oxfam erwägt bereits, Hilfsgüter mit Lastern von Indien aus über den Landweg zu transportierten.

Unter lauten Jubelschreien der Umstehenden konnten Rettungsteams am Donnerstag einen Teenager und eine junge Frau lebend aus den Trümmern befreien. Doch mit jeder Stunde sinken die Chancen, weitere Überlebende zu finden. Nepal hat bereits gebeten, keine neuen Suchteams mehr zu schicken. Dagegen würden andere Spezialisten benötigt.

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