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Panorama: Neues Antlitz für Kairo

Das Ägyptische Museum soll erweitert und durch einen Boulevard mit dem Tahrir-Platz verbunden werden.

Hier schlägt das Herz des Landes – hier kreuzen sich das politisch-moderne und das pharaonisch-historische Ägypten. Am einen Ende dreht sich der revolutionäre Kreisverkehr des Tahrirplatzes, am anderen Ende thront das weltbekannte Ägyptische Museum, das zusammen mit dem Louvre in Paris, dem British Museum in London oder dem Metropolitan Museum of Art in New York zu den berühmtesten Sammlungen des Globus zählt. Seit Jahren jedoch wirkt das gesamte Areal im Zentrum von Kairo abstoßend, zerrüttet und verkommen. Inmitten liegt, abgeschirmt von einem verbeulten Bauzaun, die riesige Endlosbaustelle einer Tiefgarage. Am Nilufer ragt kahl und schwarz die am Revolutionsbeginn 2011 von einem dreitägigen Großbrand zerstörte ehemalige Parteizentrale Mubaraks in den Himmel.

Diese städtebauliche Tristesse zu beenden ist das Ziel der Initiative „Wiederbelebung des Ägyptischen Museums“, die Nilufer, Museum und Tahrirplatz zu einem stimmigen Ganzen verbinden möchte. Ihre Pläne, die mit Antikenverwaltung und Museumsleitung abgestimmt sind, wurden kürzlich im Beisein des Antikenministers sowie des Gouverneurs von Kairo vorgestellt. Das ausgebrannte Parteihochhaus soll abgerissen und das Grundstück dem Museum zugeschlagen werden für einen großzügigen pharaonischen Garten mit Säulenhalle, Restaurant, Werkstätten und temporären Ausstellungsräumen. Museum und Tahrirplatz würden künftig durch einen breiten, grünen Fußgängerboulevard verbunden. Touristen könnten mit dem Nilboot das Museum erreichen, welches im Inneren komplett restauriert und modernisiert werden soll. Und Kairos Mitte bekäme ein kulturell-politisches Antlitz von nationaler und internationaler Ausstrahlung.

Gefördert wurden die Entwürfe eines Architektenteams unter der Leitung des Pariser Professors Serge Santelli mit 460 000 Euro vom Auswärtigen Amt in Berlin sowie dem „Zentrum für Internationale Migration und Entwicklung“ (CIM). „Ich bin überzeugt, Ägypten wird wieder in seinem alten Glanz erstehen“, sagte der bisherige Antikenminister Mohammed Ibrahim bei der Präsentation im vornehmen „Cairo Capital Club“. „Wir müssen aufhören zu palavern, wir müssen hart arbeiten, sonst kommt Ägypten nicht wieder auf die Beine.“

Denn das Ägyptische Museum verströmt nach jahrzehntelanger Vernachlässigung nur noch einen morbiden Charme. Nirgendwo sonst sind einzigartige Fundstücke so lieblos und verworren präsentiert wie in dem lachsroten Monumentalbau von 1902. Von seinem französischen Konstrukteur Marcel Dourgnon ursprünglich für 35 000 Exponate ausgelegt, sind die 89 Ausstellungsräume inzwischen mit mehr als 160 000 Fundstücken vollgestopft. Unwiederbringliche Stücke sind durch billige Vorhängeschlösser gesichert, vieles durch Hitze und Luftfeuchtigkeit vom Verfall bedroht. Teegläser von Wächtern zieren schon mal die Steinsockel von Pharaonenstatuen. Die vergilbten, handgetippten Beschriftungen mal auf Französisch, mal auf Englisch, mal auf Arabisch lassen die Besucher meist ratlos und rätselnd zurück.

Über die Modernisierung des Ägyptischen Museums hinaus, verfolgt das Land am Nil ehrgeizige Pläne für seine gesamte Kairoer Museumslandschaft, auch wenn es momentan finanziell an allen Ecken und Enden klemmt. In Giza neben den Pyramiden entsteht bereits das Große Ägyptische Museum, das mit 100 000 Ausstellungsstücken einen Großteil der Exponate aus dem alten Museum übernehmen soll, einschließlich des goldenen Grabschatzes von Tutanchamun. In der Altstadt von Fustat ist ein Nationalmuseum für Ägyptische Zivilisation geplant für die pharaonischen, griechisch-römischen, koptischen und islamischen Kulturepochen. Das renommierte Haus am Tahrir- Platz soll dann mit Meisterstücken pharaonischer Skulpturenkunst quer durch die Jahrtausende brillieren.

Dreh- und Angelpunkt jedoch für alle Neuplanungen im Herzen Kairos ist das Schicksal von Mubaraks Parteiruine. Viele haben bereits ihr Auge auf das Filetgrundstück am Nil geworfen, nicht nur die Antikenverwaltung, auch Hotelkonzerne und Banken. Und mitreden darf nicht nur das gesamte Kabinett, sondern auch der Gouverneur von Kairo. Antikenminister Ibrahim möchte daher am liebsten eher gestern als heute mit dem Abriss des Betonklotzes beginnen und den Transfer des Grundstücks unter Dach und Fach bringen. Denn er weiß, solche Revolutionen im Stadtbild sind nur im Wirbel wirklicher Revolutionen zu erreichen. Je länger sich die Entscheidungen hinziehen, desto mehr werden die Widerstände wachsen. Sollte der Coup jedoch gelingen und „das alles einmal laufen“, ist sich Ibrahim sicher, „dann kommt kein Tourist mehr um Kairo herum“.

Martin Gehlen[Kairo]

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