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Panorama: Neues MoMA – neue Schlangen

Zehntausende besuchten am Wochenende in New York das wiedereröffnete Museum of Modern Art

Es war die perfekte Überraschung. Als Tad Davis um kurz vor fünf Uhr morgens aus dem Hotelzimmer schlich, schlief seine Frau Susan Vosburgh noch tief und fest. Geweckt wurde sie erst durch den Anruf ihres Mannes knapp drei Stunden später. „Ich dachte, es war der Weckruf“, erinnerte sich Vosburgh hernach, „doch dann sagte er: Ich stehe als Erster in der Schlange für die Eröffnung des MoMA!“ Größer hätte das Geschenk zu ihrem zehnten Hochzeitstag kaum sein können.

Einst standen beide vor einem der Matisse-Gemälde im Museum of Modern Art in New York, als sie gleichzeitig ob der Schönheit des Werkes anfangen mussten zu weinen – und wussten: Wir passen perfekt zusammen. Diese rührende Geschichte mussten sie am Wochenende mehr als ein Dutzend Mal den Reportern erzählen, die über die Wiedereröffnung des berühmten Museums nach zweieinhalb Jahren Revonierung berichteten. Sie ist ja auch fast zu schön, um wahr zu sein.

Erst 20 Minuten nach Davis kam am Samstagmorgen der zweite Besucher, um zu warten, doch bis kurz vor zehn hatte sich eine lange Schlange gebildet. Sie reichte die 53. Straße hinunter, die fünfte Avenue hinauf, die 54. Straße zurück und die sechste Avenue wieder hinunter. Durchschnittliche Wartezeit am Eröffnungstag: zwei Stunden. Am ersten Tag, an dem der Eintritt frei war, waren Schätzungen zufolge 20000 Besucher in die neue, nach den Plänen des japanischen Architekten Yoshio Taniguchi umgebaute, erweiterte und nun fast doppelt so große Kathedrale der modernen Kunst geströmt. Auch am Sonntag, dem ersten Tag, an dem Eintritt bezahlt werden musste, begehrten bis Redaktionsschluss Tausende Einlass. Die Schlangen waren länger als im Sommer vor der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Dass die Wartezeiten kürzer waren, hängt damit zusammen, dass in das neue MoMA sehr viel mehr Menschen passen.

Der erste Eindruck der New Yorker Besucher am Wochenende war genauso positiv wie der der Kritiker, die schon Tage zuvor den Wurf Taniguchis als „eines der exquisitesten Stücke Architektur, das in der Stadt seit mindestens einer Generation gewachsen ist“ („New York Times“) bezeichnet hatten.

Mark B. Cohen etwa, ein Künstler aus Queens, der als einer der ersten Besucher durch die Räume geströmt war, schwärmte: „Himmlisch. Die Dinge, die ich mag, sehen noch besser aus – und seht euch nur all diesen Platz an! Ich kann kaum glauben, dass ich in New York bin.“ New York, die Metropole, die aus allen Nähten platzt und wo ein großer Raum so ein unglaublicher Luxus ist. Die Eröffnung verlief reibungslos, von kleinen Hindernissen und Pannen abgesehen. Weil es zeitweise regnete, verteilten die Museumsmitarbeiter an die triefnassen Besucher Plastiktüten für die Schirme.

Laut ist die Empörung über den um 60 Prozent gestiegenen Eintrittspreis. 20 Dollar für Erwachsene sind einsamer Rekord in New York, vermutlich sogar im ganzen Land. „Dafür ernähren sich viele Leute in der Stadt für zwei Tage“, sagte Lucia Smith. Andere befürchten, dass sie sich den Besuch nicht mehr häufig leisten können. Das alte MoMA galt vielen als Oase mitten im hektischen Großstadtdschungel Manhattan.

Zumindest Tad Davis und Susan Vosburgh müssen sich darüber keine Gedanken mehr machen. Weil sie die Ersten waren, schenkte ihnen das Museum eine lebenslange Mitgliedschaft, die einen stark ermäßigten Eintritt garantiert. Tad davis zitterten die Hände, als er das Papier entgegennahm.

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