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Neun tote Babys: Anklage fordert lebenslänglich

Im Prozess um die in Brieskow-Finkenheerd aufgefundenen neun toten Babys fordert die Staatsanwaltschaft lebenslängliche Haft für die Mutter. Sie habe die Neugeborenen "durchdacht getötet".

Frankfurt (Oder) - Die Staatsanwaltschaft hat für die Mutter der neun toten Babys von Brieskow-Finkenheerd (Brandenburg) eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen achtfachen Mordes gefordert. In ihrem Plädoyer ging Staatsanwältin Anette Bargenda am Dienstag von niederen Beweggründen und einer besonderen Schwere der Schuld aus. Die 40-jährige Mutter ist des achtfachen Totschlags angeklagt, ein Fall ist verjährt. Verteidiger Matthias Schöneburg plädierte vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) für dreieinhalb Jahre Haft wegen Totschlags in einem minderschweren Fall. Das Urteil soll an diesem Donnerstag verkündet werden.

Die 13fache Mutter schloss sich in ihrem Schlusswort den Ausführungen ihres Verteidigers an. Gutachter konnten in dem Verfahren weder die Todesursache noch die näheren Todesumstände der Kinder feststellen. Auch die genaue Liegezeit der Leichen blieb unklar.

Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft wurde die Angeklagte von dem Motiv getrieben, die - verjährte - Tötung eines 1988 geborenen Kindes zu verdecken. Die Frau habe daher acht zwischen 1992 und 1998 lebend geborene Kinder getötet, sagte Bargenda. Dabei habe sie 1992 aktiv ein Neugeborenes mit einer Decke erstickt, die weiteren Kinder ließ sie unversorgt liegen, bis sie starben. Die Straftaten seien serienhaft und routinemäßig gewesen, sagte Bargenda. Sie wertete den Tatumfang als einmalig in der Rechtsprechung.

Bargenda verwies zwar auf die Alkoholsucht der Angeklagten, die aber laut Gutachten nicht zu einer verminderten Schuldfähigkeit führte. «Sie versuchte, ihre Probleme wegzutrinken.» Der Ehemann wollte nach drei Kindern keinen weiteren Nachwuchs. Sie habe Angst gehabt, nach einer Trennung die Kinder zu verlieren. Deshalb habe die Angeklagte die Schwangerschaften verheimlicht. Zu einem Arzt sei sie nie gegangen, weil sie befürchtete, dieser könnte die vorangegangenen Schwangerschaften feststellen.

Die Angeklagte habe nach einer Strategie gehandelt, sagte die Staatsanwältin in ihrem etwa zweistündigen Plädoyer. Schon während der Schwangerschaft, die sie verbarg, sei der Entschluss gereift, das Kind zu töten; nicht erst beim Einsetzen der Wehen. Einen Leichnam soll die Angeklagte über Jahre in einer Tiefkühltruhe aufbewahrt haben, bis sie ihn vergrub.

Die sterblichen Überreste der neun toten Säuglinge waren im Sommer 2005 auf dem elterlichen Grundstück der Frau bei Aufräumarbeiten entdeckt worden. Sie steckten in Plastiktüten unter anderem in einem Aquarium, einer Babybadewanne, einem Kochtopf und Eimern, die mit Erde gefüllt und bepflanzt waren. Die Frau hatte in Vernehmungen angegeben, die Schwangerschaften verheimlicht zu haben. Beim Einsetzen der Wehen habe sie sich betrunken und sei erst aufgewacht, als die kleinen Körper schon vergraben waren.

«Meine Mandantin hat moralische Schuld auf sich geladen», sagte Verteidiger Matthias Schöneburg. Zu dem Fall des 1992 in Goslar geborenen Kindes sagte er, es habe gelebt und sei nicht ausreichend versorgt worden, so dass es starb. Den Tod des in einen Mantel eingewickelten Kindes habe die heute 40-Jährige erst am Tag nach der Entbindung bei ihrer Rückkehr in Frankfurt bemerkt. Nach Schöneburgs Einschätzung hat die Beweisaufnahme viele Fragen offen gelassen. Darunter die, welche Rolle der Ex-Mann der Angeklagten bei den Geburten gespielt habe.

Nach Gerichtsangaben ist eine Verurteilung der Frau wegen Mordes zum derzeitigen Stand nicht zu erwarten, da sie wegen achtfachen Totschlags angeklagt ist. Sollte das Gericht diese Ansicht aus seinem Eröffnungsbeschluss geändert haben, müsse es noch vor Urteilsverkündung einen entsprechenden rechtlichen Hinweis erteilen. Schöneburg hielt dies nur rein theoretisch für möglich. (tso/dpa)

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