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New Orleans: Bürgermeister fordert Räumung

In New Orleans sinkt der Wasserpegel, nicht aber die Gefahr: Seuchen sind kurz davor, sich auszubreiten. Bürgermeister Ray Nagin möchte die Stadt räumen - das Militär ist dagegen.

Washington/New Orleans (07.09.2005, 21:22 Uhr) - Angesichts der wachsenden Seuchengefahr in New Orleans hat Bürgermeister Ray Nagin die Zwangsräumung der Stadt angeordnet. In der fast zerstörten Südstaatenmetropole werden noch rund 10.000 Menschen vermutet. Nach dem Willen Nagins sollen alle, die nicht an Hilfsaktionen beteiligt sind, notfalls entfernt werden - «ob sie gehen wollen oder nicht». Die Armee kündigte jedoch an, sie werde sich an einer Zwangsmaßnahme nicht beteiligen.

Auch Polizeichef Eddie Compass schränkte am Mittwoch ein, Gewaltanwendung werde das «allerletzte Mittel» sein. «Wir haben tausende Menschen, die freiwillig gehen wollen», sagte er. Nach Medienberichten äußerten allerdings zahlreiche Bürger ihre Entschlossenheit zum Bleiben - komme, was da wolle.

Das Militär fühlt sich von der Anordnung des Bürgermeisters nicht angesprochen, machte der zuständige General Russel Honore klar. Bis zum Mittag (Ortszeit) gab es keine Anzeichen für eine gewaltsame Entfernung von Menschen aus ihren Häusern.

Furcht vor Krankheiten

Der Wasserspiegel in der Stadt sank weiter, zugleich wuchs die Furcht vor Erkrankungen, nachdem im verdreckten Flutwasser gefährliche Kolibakterien entdeckt worden waren. Mehrere hundert Menschen erkrankten bereits an einer Magen- und Darminfektion. Die Gesundheitsbehörde CDC in Atlanta bestätigte den Tod von fünf Menschen, die sich mit normalerweise eher harmloseren koli-ähnlichen Bakterien infiziert hatten. Allerdings kämen solche Fälle in der Region häufiger vor und hätten daher nicht zwangsläufig etwas mit dem Hurrikan zu tun, sagte CDC-Direktorin Julie Gerberding dem Sender CNN.

Zur Anordnung des Bürgermeisters erklärte sie, es gebe gute Gründe für eine Zwangsevakuierung. Der sicherste Weg sich vor Krankheiten zu schützen, sei sich fern zu halten. Zugleich sagte Gerberding aber, ihre Behörde sei derzeit mehr über mögliche giftige Chemikalien im Wasser besorgt als über einen Ausbruch von Cholera.

Internationale Hilfszusagen

Die internationale Unterstützung läuft derweil auf Hochtouren. Die USA erhielten nach Angaben des Außenministeriums Hilfszusagen im Umfang von rund einer Milliarde Dollar (800 Millionen Euro) aus dem Ausland. Das Ministerium sitze rund um die Uhr daran, die Angebote und Bedürfnisse aufeinander abzustimmen, sagte Harry Thomas, Koordinator für die Auslandshilfe. Die größten Einzelspenden kamen aus den reichen Golfstaaten. So gaben Katar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate je 100 Millionen Dollar.

Thomas bedankte sich vor allem auch für die rasche Lieferung von Fertigmahlzeiten, unter anderem aus Deutschland, das den USA auch Identifizierungsexperten des Bundeskriminalamts (BKA) zur Verfügung stellt. Ein Vorausteam soll am Donnerstag abfliegen. Noch am Mittwochabend sollten Experten des Technischen Hilfswerks (THW) vom US-Militärflughafen Ramstein aus starten. Mit 15 Hochleistungspumpen sollen sie bei der Trockenlegung von New Orleans helfen.

Bush will staatliche Hilfe ausweiten

Präsident George W. Bush will die staatliche Hilfe für die Opfer massiv ausweiten. Der Präsident wolle schon am Mittwoch im Kongress zwischen 40 und 50 Milliarden Dollar (zwischen 32 und 40 Milliarden Euro) Hilfe beantragen, sagte der demokratische Minderheitenführer im Senat, Harry Reid, nach einem Treffen mit Bush im Weißen Haus. Er rechnet damit, dass die Gesamtkosten für die Opferhilfe und die Beseitigung der Schäden bis zu 150 Milliarden Dollar betragen.

Das politische Washington stand am Mittwoch weiter ganz im Zeichen massiver Kritik an der langsamen Reaktion der Behörden auf die Katastrophe. Nachdem Präsident Bush am Dienstag eine Untersuchung unter seiner eigenen Leitung angekündigt hatte, forderte die demokratische Opposition mit Senatorin Hillary Clinton an der Spitze die Einsetzung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses. Bereits in der kommenden Woche will ein Senatsgremium Ermittlungen aufnehmen. Unter Beschuss kommt zunehmend der Chef der Behörde für Katastrophenmanagement (FEMA), Michael Brown. Die Fraktionschefin der Demokraten im Abgeordnetenhaus, Nancy Pelosi, forderte seinen Rücktritt.

In der Anordnung von Bürgermeister Nagin vom Dienstagabend hieß es, Polizisten, Feuerwehr, Nationalgarde und Armeeangehörige seien «angehalten und autorisiert, die Entfernung aller Personen aus der Stadt zu erzwingen, unabhängig davon ob sie sich auf Privatgrundstücken aufhalten oder den Wunsch äußern, dort zu bleiben».

General Honore, der die militärischen Hilfsmaßnahmen koordiniert, sagte, die Armee werde sich nicht an einer gewaltsamen Entfernung von Bürgern beteiligen und sie auch nicht aus ihren Häusern «heraushungern». Wenn Soldaten auf Menschen stießen, die bleiben wollten und Wasser und Essen benötigten, dann würden diese auch damit versorgt.

Inzwischen gingen in New Orleans die ersten Lichter wieder an. Das Stromnetz liegt zwar weiter lahm, doch gelang es einigen Hotels, die Generatoren anzuwerfen, die die Leuchtreklamen auf den Dächern wieder erstrahlen ließen. (tso/dpa)

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