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Panorama: New Yorker Schreckensbilder

Während sich die Metropole gegen Anschläge wappnet, löst ein Industrieunfall bei den Einwohnern Urängste aus

Von Matthias B. Krause,

New York

Es war kurz nach zehn, als die gewaltige Explosion Bill Petrovey schlicht aus dem Bett warf. „Das ganze Haus hat gewackelt", berichtete er, zunächst habe er an ein Erdbeben gedacht. „Dann habe ich aus dem Fenster geguckt und diese riesigen Flammen und den dicken schwarzen Rauch gesehen, die meterhoch in die Luft gestiegen sind", sagte der Augenzeuge weiter. Sein zweiter Gedanke: ein Terroranschlag.

Was sich nach ersten Informationen als ein folgenschwerer Unfall in einem Ölterminal auf Staten Island, gut zehn Meilen südwestlich von Manhattan, darstellt, weckte am Freitagmorgen erneut die Urängste, die so viele New Yorker seit den Anschlägen auf die Türme des World Trade Centers mit sich herumtragen. Frappierend erinnerte die mächtige Rauchsäule, die gerade in den blauen Winterhimmel stieg und dann nach Osten abzog, an die Bilder der qualmenden Hochhäuser in Manhattan kurz vor ihrem Kollaps.

In der vergangenen Woche hatte Präsident George W. Bush den Gefahren-Pegel auf „Code Orange“ geschraubt, der eine hohe Wahrscheinlichkeit von Terror-Attacken anzeigt. Nur bei „Code Rot“ ist die Bedrohung noch größer. Die beiden großen Nachrichtenmagazine des Landes machten ihre jüngsten Ausgaben mit Berichten über eine verängstigte Nation am Vorabend eines Irak-Kriegs auf.

Ist die Nation nervös, liegt der Grad der Anspannung in New York immer noch ein bisschen höher. In den vergangenen Tagen hat die Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum deutlich zugenommen. Man kann militärischen Spezialeinheiten dabei beobachten, wie sie mit Geigerzählern Mülleimer auf radioaktive Strahlung kontrollieren. Nicht zuletzt wegen dieser angespannten Stimmung in der Stadt beeilte sich der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg am Freitag, seinen Mitbürgern live über das Fernsehen vom Unglücksort zu versichern, es sei kein Anschlag gewesen. „Es gibt absolut keinen Grund zu glauben, dass es sich hier um etwas anderes als einen tragischen Industrie-Unfall handelt", sagte Bloomberg. Ähnlich hatten sich zuvor die Bundespolizei FBI und das Ministerium für Heimatverteidigung geäußert.

Das Unglück ereignete sich beim Entladen eines unmotorisierten Tankschiffes am Pier Port Mobile. Von den rund 18 Millionen Litern Benzin, die das Schiff geladen hatte, war nach Bloombergs Angaben rund die Hälfte abgepumpt, als sich die Flüssigkeit entzündete. Direkt an der Unglücksstelle bildete sich ein riesiger Brandteppich.

Ein Arbeiter der Raffinerie starb bei der Explosion, ein weiterer wurde am Nachmittag (Ortszeit) noch vermisst. 30 Mitarbeiter des Ölverlade-Terminals, der dem größten amerikanischen Ölkonzern Exxon Mobil gehört, retteten sich unbeschadet aus der Gefahrenzone.

Nun soll es weitere Untersuchungen geben. Auch das FBI und das Ministerium für Heimatverteidigung werden sich beteiligen – um ganz sicher zu gehen, dass keine Terroristen im Spiel waren. „Wenn die es getan hätten, wäre es noch viel schlimmer gewesen", sagt Petrovey. Im Laufe der Jahre, die er nahe einer der größten Raffinerien der USA lebt, hat er sich ein dickes Fell zugelegt: „Explosionen sind für uns hier nichts Unbekanntes. Nach einer Weile gewöhnt man sich daran." Allerdings bringen nur wenige New Yorker derzeit denselben Gleichmut auf.

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