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Panorama: Nicht einmal der Erreger ist bekannt

Experten untersuchen die Krankheit, können aber noch keine Aussagen treffen – die übrigen Passagiere blieben offenbar verschont

Asien, Amerika, Australien, Europa – innerhalb weniger Monate hat sich eine rätselhafte Atemwegserkrankung ausgebreitet und beunruhigt nun die Gesundheitsbehörden in aller Welt. Hunderte sind erkrankt, von neun Todesfällen bisher ist die Rede. Allein in der vergangenen Woche sollen mehr als 150 Fälle aufgetreten sein. Betroffen sind vor allem China, Indonesien, Singapur, Thailand, Vietnam und die Philippinen. Und über den weltweiten Flugverkehr hat der mysteriöse Erreger einer untypischen Form von Lungenentzündung dieser Tage Kanada und Deutschland erreicht.

„Schweres akutes respiratorisches Syndrom“ oder kurz „Sars“ nennen die Fachleute die Erkrankung. Bislang hat man die Ursache dieser Form der „atypischen“ Lungenentzündung nicht aufgeklärt. „Atypisch“ heißen diese Infektionen deshalb, weil sie den Arzt zunächst in die Irre führen. Denn eine „klassische“ Lungenentzündung lässt sich durch sorgfältiges Abhorchen und Abklopfen der Lunge gut feststellen. Im Blut finden sich mehr weiße Blutkörperchen als sonst.

Bei der atypischen Lungenentzündung ist das anders. Die Zahl der weißen Blutkörpchern ist meist nicht erhöht oder kann sogar verringert sein, und die Lunge scheint nicht auffällig verändert, wenn man sie abhorcht. Die Patienten haben eher trockenen Husten und Fieber. Aber das Röntgenbild der Lunge ist verräterisch und zeigt eine auffällige alarmierende Verschattung des Atemorgans.

Typische Erreger von atypischen Lungenentzündungen sind Viren sowie „exotische“ Bakterien wie Mykoplasmen, Chlamydien, Legionellen, Rickettsien und (bei Aids-Patienten) der einzellige Parasit Pneumocystis carinii. Im Fall von „Sars“ vermuten die Behörden einen Virus als Erreger – vielleicht deshalb, weil die bei Bakterien bewährten Antibiotika bisher versagten.

Noch aber ist kein Erreger nachgewiesen. Bisher ist auch nicht endgültig ausgeschlossen, dass es sich um ein Grippevirus handelt. Seit Jahren befürchten Fachleute, dass eine aggressive Variante eines in Hongkong gefundenen Hühnergrippe-Virus namens H5N1 auf Menschen übergehen könnte.

„Sars“ beginnt wie eine typische Grippe: Fieber über 38 Grad, trockener Husten, Muskelschmerzen, greift dann aber offenbar rasch auf die Lunge über, so dass die Opfer unter Kurzatmigkeit klagen. Die Krankheit verläuft schwer, und es kommt zu Todesfällen. Mittlerweile gibt es aber auch schon Patienten, die die Infektion offenbar weitgehend überwunden haben.

Wie kann man sich schützen und wie ansteckend ist der Keim? Die Weltgesundheitsorganisation sieht in dem „Sars“-Erreger eine weltweite Gefahr und hält die Reisenden zur Wachsamkeit an, spricht sich aber bisher gegen Reisebeschränkungen aus.

„Wir nehmen an, dass sich der Erreger über die Atemwege, also Tröpfchen oder noch feinere Aerosole, verbreitet“, sagt Susanne Glasmacher, Sprecherin des Robert-Koch-Instituts. „Aber das ist bisher nur Spekulation – wir wissen noch zuwenig.“

Immerhin sind in einem Krankenhaus in Hongkong gleich 23 Mitarbeiter mit Sars-Symptomen erkrankt. In Hanoi traf es 20 Mitarbeiter nach Aufnahme eines Patienten. Das Hamburger Bernhard-Nocht-Institut spricht deshalb von einer hochansteckenden Infektion. Andererseits wies Julie Gerberding von der US-Seuchenbehörde CDC darauf hin, dass wohl nur direkter und längerer Kontakt zu einem Infizierten die Krankheit überträgt. „Es gibt keinen Hinweis darauf, dass kurzer Kontakt oder die gemeinsame Anwesenheit in einer Menschenmenge den Keim verbreitet“, sagte Gerberding. Auch die Mitpassagiere der in Frankfurt gelandeten Maschine blieben offenbar verschont.

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