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Ihre Lieder spalten die Musikwelt: Die südtiroler Band Frei.Wild. Wegen der Nominierung der rechtslastigen Band Frei.Wild wollten die Musiker von Kraftklub und MIA. den Musikpreis Echo boykottieren.

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Update

Nominierung zurückgezogen: Echo ohne Frei.Wild: Boykottankündigungen zeigen Wirkung

Wegen der Nominierung der rechtslastigen Band Frei.Wild wollten die Musiker von Kraftklub und MIA. den Musikpreis Echo boykottieren. Der Bundesverband Musikindustrie rudert daraufhin zurück.

„Wir haben unsere Plattenfirma gebeten, dafür zu sorgen, dass unsere Nominierung für den Echo in der Kategorie ,Rock/Alternativ National’ zurückgezogen wird. Wir möchten nicht weiter in einer solchen Reihe genannt werden. Obwohl wir uns gefreut haben, zusammen mit MIA., Die Toten Hosen, Unheilig, und Die Ärzte nominiert gewesen zu sein. Schade um die schöne Aftershowparty …“. Mit diesem Facebookeintrag begründete die Chemnitzer Band Kraftklub ihren Boykott des Musikpreises Echo – und mehr als 15 000 Personen gefiel dies. Frei.Wild heißt die Band, mit der Kraftklub nicht den Abend verbringen wollte. Doch warum wurde eine Band aus Italien in einer nationalen Echo-Kategorie nominiert? Frei.Wild stammen aus Südtirol, singen auf Deutsch und machen Rockmusik, die mit der ihrer Vorbilder Böhse Onkelz vergleichbar ist. Und auch in der Vergangenheit der beiden Bands gibt es Parallelen. Die Böhsen Onkelz starteten in den 80er Jahren als Skinhead-Band und distanzierten sich in den 90er Jahren vom Rechtsextremismus. Ihre Vergangenheit wurde die Band jedoch nie ganz los.

Die Vergangenheit von Frei.Wild-Sänger Philipp Burger spielt in der bei Neonazis beliebten Rechtsrock-Band Kaiserjäger und in der rechtspopulistischen „Die Freiheitlichen“. Heute gibt sich die Band Frei.Wild unpolitisch. In ihrem Lied „Das Land der Vollidioten“ heißt es „Wir sind keine Neonazis und keine Anarchisten“. Gesungen wird von angeblich unpolitischer Heimatliebe. Auch viele Frei.Wild-Fans wollen nichts mit Rechtsextremismus zu tun haben und verteidigen im Internet heftig ihre Lieblingsband mit den Texten von „Freundschaft und Ehre und so“.

Martialisches Auftreten. Frei.Wild bei einem Konzert in Hamburg. Die Band füllt riesige Hallen.
Martialisches Auftreten. Frei.Wild bei einem Konzert in Hamburg. Die Band füllt riesige Hallen.

© picture alliance / Jazzarchiv

Völkisches und nationalistisches Liedgut sehen hingegen Beobachter der Szene wie Thomas Kuban, Autor des Buches „Blut muss fließen. Undercover unter Nazis“. Er kritisiert an Frei.Wild den Hass auf Andersdenkende, auf „Gutmenschen und Moralapostel“ sowie geschichtsrevisionistische Fragmente in den Texten. Unbestritten ist, dass Frei.Wild in rechtsextremen Kreisen gut ankommt, mit Textpassagen wie „Sprache, Brauchtum und Glaube sind Werte der Heimat. Ohne sie gehen wir unter, stirbt unser kleines Volk“. Die Band bezeichnet ihren Erfolg bei Rechtsextremen zwar als Problem, geht jedoch nicht auf die Ursache dieses Problems ein. Sie fühlt sich vielmehr missverstanden – ihre „patriotische Haltung“ begründet sie mit ihrer Herkunft: „Wir Südtiroler haben aber ein anderes Heimatgefühl als die Deutschen“, sagte Sänger Burger in einem Interview mit den „Ruhr-Nachrichten“.

Kommerzieller Erfolg mit rechter Masche

Unbestritten ist auch der kommerzielle Erfolg dieses Spiels mit Patriotismus, Nationalismus und Böse-Buben-Image. Die Band füllt inzwischen regelmäßig Konzerthallen mit mehr als 10 000 Fans und verwandelt sie in Bierzelte und Schützenfeste mit einfach gestrickter Rock-Folklore. Die Alben „Gegengift“ und „Feinde deiner Feinde“ erhielten für jeweils über 100 000 verkaufte Exemplare in Deutschland die Goldene Schallplatte. Mit dem Verkaufserfolg rechtfertigte der Bundesverband Musikindustrie die Echo-Nominierung. Da außerdem deutsche Pässe von Bandmitgliedern vorlägen und die Musik in Deutschland aufgenommen wurde, seien die Bewertungskriterien für die Nominierung erfüllt, erläuterte Andreas Leisdon vom Bundesverband Musikindustrie.

Andere Musiker wollten diesen Argumente nicht folgen. Die Band MIA. nahm von ihrer Echo-Nominierung ebenfalls Abstand: „Wir haben uns heute sehr, aber leider auch nur sehr kurz über unsere Echo-Nominierung gefreut, da unter den aktuell Nominierten mit Frei.Wild eine Band genannt wird, deren Weltbild wir zum Kotzen finden. Es mag nicht in unserer Hand liegen, welche Künstler für einen Echo nominiert werden, aber es liegt in unserer Hand, von unserer Nominierung dankend Abstand zu nehmen.“, hieß es auf der Fanseite. Auch Die Ärzte äußerten sich kritisch über den Echo und über die Nominierung der norditalienischen Deutschrocker.

Eine Kontroverse mit Wirkung: Am Abend wurde die Band Frei.Wild von der Liste der Nominierten genommen. „Um zu verhindern, dass der Echo zum Schauplatz einer öffentlichen Debatte um das Thema der politischen Gesinnung wird, hat sich der Vorstand nach intensiven Diskussionen dazu entschlossen, in die Regularien des Preises einzugreifen und die Band Frei.Wild von der Liste der Nominierten zu nehmen.“, gab Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie, zur Begründung bekannt. So dürfen sich die Südtiroler Rechtsrocker weiter als missverstandene Musiker gegen den Mainstream fühlen.

Bleibt der Echo-Verleihung fern. Mieze, Frontfrau der Berliner Band MIA.
Bleibt der Echo-Verleihung fern. Mieze, Frontfrau der Berliner Band MIA.

© picture alliance / dpa

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