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Ölpest: Beschuss von außen

Angesichts mangelnder Fortschritte hat US-Innenminister Ken Salazar dem BP-Konzern gedroht, ihn von der Bekämpfung der Ölpest im Golf von Mexiko auszuschließen. Wie realistisch ist das?

Die Golfküste der USA steht vor einer dramatischen Wende: Nun wird, wie seit Wochen befürchtet, mit der flächendeckenden Anlandung von Rohöl gerechnet. Freilich zeigt sich auch hier wieder, wie gering die Erfahrungen mit Unfällen bei der Offshore-Förderung rund 70 Kilometer vor der Küste in 1500 Meter Tiefe sind und wie schwierig es ist, deren Auswirkungen vorherzusagen. Die Verseuchung der Strandlinie durch den mehrere tausend Quadratkilometer großen Ölteppich wird jetzt westlich der Mississippimündung erwartet. Bisher galten die Staaten östlich des Deltas als hauptsächlich bedroht.

Fünf Wochen nach der Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“ am 20. April schwinden die Geduld der Regierung Obama mit dem verantwortlichen Ölkonzern BP und das Vertrauen in dessen Krisenmanagement. Innenminister Ken Salazar reagierte mit einem Wutausbruch auf Meldungen, dass BP die Schätzungen über die Menge des austretenden Öls abermals nach oben korrigieren und zudem eingestehen musste, dass es weniger Öl mit einer neuen Absaugeinrichtung einfangen kann als angegeben. „Wenn sich herausstellt, dass sie nicht tun, was sie tun sollen, dann räumen wir sie beiseite.“ Präsident Barack Obama schickte Salazar und die Ministerin für Heimatschutz, Janet Napolitano, erneut zum Krisenmanagement an die Küste.

Hat die US-Regierung Alternativen bei der Bekämpfung der Ölpest?

Obamas oberster Krisenmanager für den Unfall, der Admiral der Küstenwache Thad Allen, relativierte Salazars Drohung, BP die Leitung der Rettungsmaßnahmen zu entziehen. BP habe den unmittelbaren Zugang zur Unglücksstelle. „Sie sind die Augen und Ohren dort unten.“ Auch Obamas Sprecher Robert Gibbs bemüht sich um eine vorsichtige Balance. Einerseits nimmt er die Empörung darüber auf, dass das Leck im Meeresboden auch nach fünf Wochen noch nicht gestopft ist und die Verseuchung im Golf von Mexiko weiter wächst. Andererseits begegnet er Vorwürfen, dass sowohl BP als auch die Regierung nicht alles unternehmen, mit der Gegenfrage an die Journalisten, sie möchten bitte sagen, welche Alternative BP nicht längst erprobt oder erwogen habe. Er sei überzeugt, dass BP jedem Hinweis nachgehe und jeden erwiesenen Experten zu Rate ziehe.

US-Medien berichten immer wieder von alternativen Ideen und Maßnahmen. So hatten Wissenschaftler vor einigen Wochen vorgeschlagen, Wülste, die mit menschlichem Haar gefüllt sind, als Ölbarrieren auszubringen, weil das Haar das Rohöl besser binde und aufsauge als andere Materialien. Die „New York Times“ meldete am Sonntag, viele Bürger hätten daraufhin Haarbüschel an die Golfküste geschickt. Doch in Tests habe sich die Methode nicht bewährt. Nun meldet die „Los Angeles Times“, Hollywood-Star Kevin Costner habe in seinem Unternehmen eine Ölscheidezentrifuge entwickelt, die er zur Verfügung stellen wolle.

Welche Fehler hat BP bisher gemacht?

BP werden mehrere Rechtsbrüche und Versäumnisse vorgeworfen. Es heißt, der Konzern habe Umweltauflagen missachtet, tiefer gebohrt als erlaubt und bei den Sicherheitsvorkehrungen nicht auf die beste Technik zurückgegriffen. Nach dem Unfall hat die Ölfirma mehrfach ihre Angaben über das Ausmaß korrigieren müssen. Allerdings ist unklar, ob BP wider besseres Wissen falsche Angaben gemacht hat. Oder ob es sich um Schätzungen handelte, die dem damaligen Kenntnisstand entsprachen, sich aber im Nachhinein als falsch erwiesen haben. Ein Team aus Küstenwache, Wissenschaftlern und Ministerialbeamten wurde nun mit unabhängigen Messungen beauftragt.

Was wird als nächstes versucht, um das Leck zu schließen?

BP hat für Dienstag den nächsten Versuch angekündigt, das Leck von außen zu schließen. Dafür soll schwerer Bohrschlamm in das Bohrloch „geschossen“ werden. Alternativ wird der „Beschuss“ mit Golfbällen, verknoteten Seilen und elastischen Materialien erwogen. Parallel bereitet BP Entlastungsbohrungen von der Seite in den Unglücksschacht vor, um Zement einzuspritzen und das Loch so von innen zu verschließen. Dieser Ansatz nimmt jedoch Wochen in Anspruch.

Wie gefährlich ist die Katastrophe für BP?

BP hat nach eigenen Angaben bislang 760 Millionen Dollar für Rettungsmaßnahmen ausgegeben. Wer die Folgeschäden für Fischerei, Tourismus und Umwelt trägt, ist unklar. Die gesetzliche Haftung des Konzerns ist auf 75 Millionen Dollar beschränkt. Es gibt aber einen Fonds, in den alle in den USA tätigen Ölkonzerne einzahlen müssen. Dort haben sich 1,6 Milliarden Dollar angesammelt. Die BP-Aktie ist tief gesunken. Es ist ungewiss, ob der Unfall die Existenz der Firma bedrohen kann.

Warum lässt Obama trotz Moratorium weitere Bohrungen zu?

Obama hat am 14. Mai verkündet, es gebe keine neuen Genehmigungen, bis die Ursachen des Unfalls geklärt seien. Tatsächlich gab es seit dem 20. April 17 neue Bohrgenehmigungen und 19 umwelttechnische Unbedenklichkeitserklärungen, meldet die „New York Times“. Das liegt zum einen daran, dass der Regierung durch bestehende Gesetze die Hände gebunden sind. Die Ämter müssen nach 30 Tagen über Anträge entscheiden, sofern keine der gesetzlich festgelegten Einwände vorliegen. Zum anderen hat der Unfall bisher nicht die breite Empörung ausgelöst, die man in ähnlicher Lage in Europa erwarten dürfte, wie im Fall der Plattform „Brent Spar“ oder des Unglückstankers „Amoco Cadiz“.

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