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Kampusch

© dpa

Österreich: Ermittlungspannen: Kampusch erwägt Klage gegen Staat

Natascha Kampusch hätte womöglich acht Jahre früher frei kommen können, wenn Österreichs Polizei dem Hinweis eines Hundeführers gefolgt wäre. Da damals offenbar nichts unternommen wurde, will Kampusch den Staat auf Schadenersatz verklagen.

Das österreichische Entführungsopfer Natascha Kampusch (19) erwägt eine Schadenersatzklage gegen ihr Heimatland, falls sich jetzt bekannt gewordene Hinweise auf ein Versagen der Polizei als zutreffend erweisen. Das Innenministerium steht unter Verdacht, eine lückenlose Aufklärung möglicher Polizeifehler nach der Flucht Kampuschs im Sommer 2006 verhindert zu haben, um einen Skandal vor den Nationalratswahlen im Herbst des Jahres zu verhindern.

Nach einem am Donnerstag von dem Grünen-Abgeordneten Peter Pilz im Wortlaut veröffentlichten Polizeidokument hatte eine nach der Kampusch-Entführung 1998 gebildete Sonderkommission zehn Tage nach dem Kidnapping eine Beschreibung des Entführers Wolfgang Priklopil. Obwohl dieser vernommen wurde und kein Alibi hatte, wurde die Spur nicht weiter verfolgt. Die Hinweise auf den Täter kamen von einem Hundeführer der Polizei.

Kampusch "entsetzt und wütend"

"Wenn sich herausstellen sollte, dass man Frau Kampusch aufgrund des Hundeführer-Hinweises auf Wolfgang Priklopil acht Jahre früher hätte befreien können, und dass ein Verschulden der Behörden vorliegt, weil man ihnen nicht nachgegangen ist, so werden wir klagen", sagte Kampusch-Anwalt Gerold Ganzger dem "Standard". Kampusch meinte, die bekannt gewordenen Fakten "machen mich entsetzt und wütend". Innenminister Günther Platter (ÖVP) hatte zuvor eine Untersuchung der Vorwürfe angeordnet.

Aufgerollt wurde der mögliche neue "Fall Kampusch" durch den ehemaligen Chef des Österreichischen Bundeskriminalamts, Herwig Haidinger. Sein Vorwurf: Nach Kampuschs Flucht 2006 habe ein hoher Beamter im Ministerium der damaligen konservativen Innenministerium Liese Prokop erkennen lassen, man wünsche im Ministerium nicht, den Fall wegen der bevorstehenden Parlamentswahl in Österreich im Oktober 2006 noch einmal aufzurollen.

Haidinger hatte nach der Flucht Kampuschs und dem Selbstmord Priklopils im Sommer 2006 einen Beamten im Innenministerium darauf hingewiesen, dass Indizien für Versäumnisse bei den Ermittlungen "möglicherweise Auswirkungen hinsichtlich eines allfälligen Amtshaftungsanspruchs (Schadenersatz-Anspruch) des Opfers" haben könnten. Seine Ankündigung, eine Untersuchung einleiten zu wollen, stieß aber auf Ablehnung. In einem Schreiben des Beamten heißt es, er habe immer wieder versucht, "die Angelegenheit ohne größere Eklats abzuschließen - wäre ja schade darum". (jvo/dpa)

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