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Panorama: Offizier der Freiheit

In Berlin feierte „Mogadischu“ Premiere – mit GSG-9-Mann Ulrich Wegener

Der Sturm auf die entführte Lufthansa-Maschine steht kurz bevor, die Männer des Kommandos legen ihre Ausrüstung an. Leider gibt es nicht genügend kugelsichere Westen. Ein junger Polizist hat keine abbekommen, sein Kommandeur zieht die eigene aus, reicht sie ihm – und rettet ihm so das Leben. Eine Kugel wird treffen, aber das Material hält stand.

Ein dramatisches Detail, wie es Drehbuchautoren und Zuschauer lieben. Fast zu schön, um nicht erfunden zu sein. Aber Ulrich Wegener, Kommandeur der Grenzschutztruppe GSG 9, die 1977 in Somalia die „Landshut“ aus der Hand der Terroristen befreite, zerstört rasch die Vermutung, in dieser Szene aus dem Film „Mogadischu“ könnte die Wirklichkeit den Erfordernissen des Fernseh- und Kinogeschäfts angepasst worden sein. Nein, erzählt er, es sei tatsächlich so gewesen. Panzerwesten habe es genug gegeben, aber nur deutsche, nicht sehr schusssicher, dazu schwer, die Bewegungen einengend. In England aber waren gerade neue erfunden worden, leicht und sicher, die wollten damals alle Staaten haben, und so standen auch der GSG 9 nicht genügend solcher Westen zur Verfügung. Was er selbst dann getragen habe? Er ist ohne Weste in den Kampf gezogen.

Zwei Monate liegt die Premiere von Uli Edels „Der Baader-Meinhof-Komplex“ im Berliner Delphi-Kino zurück, da wurde an diesem Mittwochabend für den deutschen Herbst 1977 wieder der rote Teppich ausgerollt, diesmal im Cinestar am Potsdamer Platz, zur Kinopremiere des Fernsehfilms „Mogadischu“, der am 30. November nebst Dokumentation von der ARD ausgestrahlt wird. Der mit solchen TV-Großtaten erfahrene Regisseur Roland Suso Richter war gekommen, dazu seine Hauptdarsteller, darunter Nadja Uhl, Herbert Knaup, Christian Berkel und Jürgen Tarrach, ergänzt durch einige der damals Leidenden und Handelnden, Ko pilot Jürgen Vietor, Monika Schumann, die Witwe des ermordeten Piloten, die beiden Passagiere Birgitt und Stephan Röhll – und Ulrich Wegener, „Held von Mogadischu“, wie man den GSG-9-Kommandeur damals gerne nannte.

Der hatte am Nachmittag noch mit den anderen Stars des Abends im nahen Mandala-Hotel gesessen und Fragen zur Vergangenheit und deren aktueller filmischer Interpretation beantwortet. „Sehr authentisch“, so lobt Wegener das Werk, rühmt die Genauigkeit des Filmsets in Casablanca, das ihn fast glauben ließ, er sei wieder in Mogadischu. Neben ihm seien noch andere ehemalige Mitglieder der GSG 9 beim Drehen dabei gewesen, der Regisseur habe sich gerne beraten lassen. Die Details – Ausrüstung, Verhalten, Annäherung an die Maschine – mussten stimmen.

Wegener stammt aus einer Offiziersfamilie, wurde 1929 in Altes Lager bei Jüterbog geboren. Ende der vierziger Jahre machte er Bekanntschaft mit der Stasi, hatte Flugblätter gegen das Ost-Regime verteilt, saß für 15 Monate in Potsdam und Brandenburg im Gefängnis, ging nach der Freilassung über Berlin in den Westen, wurde Polizist. Gerne erzählt er von den Stationen seiner Karriere, macht auch aus seiner konservativen Grundhaltung kein Geheimnis, die in der Vergangenheit einiges Stirnrunzeln ausgelöst hat. Etwa 2007, als bei einem ultrarechten Verlag ein Buch über drei Eliteeinheiten erschien: die GSG 9, das in Afghanistan eingesetzte Kommando Spezialkräfte (KSK), aber auch die „Brandenburger“, eine zur Partisanenbekämpfung eingesetzte Eliteeinheit der Wehrmacht. Wegener hatte in dem Buch den Teil über seine alte Truppe geschrieben, sieht auch jetzt in der Zusammenstellung nichts Verwerfliches: „Ich habe mit ehemaligen Offizieren der Brandenburger gesprochen. Wir haben natürlich auch von denen vieles gelernt.“ Und gern erinnert er dann daran, wie er nach dem Attentat von München 1972 für einige Monate in Israel war, um sich für den Aufbau der GSG 9 über die Erfahrungen der dortigen Sicherheitskräfte zu informieren. In Israel sah man es mit solchen militärischen Traditionslinien ganz locker und sagte ihm nur: „Was meinen Sie, was wir alles von den Deutschen gelernt haben!“

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