zum Hauptinhalt

Panorama: "Olympic Voyager": Ein Kreuzfahrtschiff der besonderen Art

Der Anblick eines vollbesetzten Kreuzfahrtschiffes mit Hunderten von westlichen Touristen an Bord lässt bei Gastronomen, Händlern und Behörden in der Türkei normalerweise die Herzen höher schlagen. Denn Schiffstouristen gelten als sehr zahlungskräftige Zeitgenossen.

Der Anblick eines vollbesetzten Kreuzfahrtschiffes mit Hunderten von westlichen Touristen an Bord lässt bei Gastronomen, Händlern und Behörden in der Türkei normalerweise die Herzen höher schlagen. Denn Schiffstouristen gelten als sehr zahlungskräftige Zeitgenossen. Doch bei der "Olympic Voyager" ist alles anders. Als das Schiff am Donnerstag in Istanbul anlegte, war die Polizei der türkischen Metropole alarmiert. Denn die rund 850 Kreuzfahrt-Touristen aus den USA, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden sind zwar zum Geldausgeben bereit - doch es handelt sich bei ihnen um Schwule. Und das bringt die türkischen Behörden ins Schwitzen.

Einen ersten Skandal gab es schon, als die "Olympic Voyager" im westtürkischen Kusadasi Station machte. Während die Kreuzfahrt-Touristen, von denen sich einige mit Make-up, bunten Kleidern, Perücken und Halsketten geschmückt hatten, von Bord tänzelten, bereitete die türkische Polizei Straßensperren vor. Die Touristen wollten das nahe gelegene antike Ephesos besuchen. Die ersten 17 von insgesamt 25 angemieteten Reisebussen kamen auch durch, doch dann stoppte die Polizei den Konvoi und zwang die restlichen acht Busse zur Umkehr. Daraufhin wollten die Passagiere der "Olympic Voyager" zum Einkaufen in die Innenstadt von Kusadasi gehen. Als sie die Polizei auch daran hinderte, gab es Krach. Das Verhalten der Behörden sei eine Schande, schimpfte eine Vertreterin des Reiseveranstalters Tura Gemi Turizm, die den Türkei-Teil der Reise organisiert hatte. "So etwas haben wir noch in keinem Land erlebt", wetterte Jonathan Evrin vom US-Reiseveranstalter Atlantis. Selbst das amerikanische Generalkonsulat in Istanbul protestierte.

Mit dem wütenden Aufstand der bunten Schwulen-Schar konfrontiert, traten die Behörden den Rückzug an. Von einem Missverständnis war plötzlich die Rede; der Bürgermeister von Kusadasi, Fuat Akdogan, erkannte den potenziellen Schaden für den Ruf seiner Stadt und ging an Bord der "Olympic Voyager", um sich in aller Form über Lautsprecher bei den Reisenden zu entschuldigen. Sogar Tourismus-Minister Erkan Mumcu und Innenminister Sadettin Tantan wurden Presseberichten zufolge in den Streit eingeschaltet. Offiziell begründet wurden die Behinderungen der schwulen Besucher mit einem kürzlichen Runderlass Tantans: Der Minister hatte die Polizei in der Türkei zu Beginn der Saison vor einreisenden Homosexuellen aus dem Ausland gewarnt. Anlass war ein Aufruf von Schwulen-Gruppen im Internet, mit dem Homosexuelle aus aller Welt zu einem traditionellen - und ganz und gar nicht schwulen - Ringerwettkampf im Nordwesten der Türkei eingeladen wurden, um sich am Anblick der Muskelpakete zu laben. Nach einem Aufschrei der Empörung in der türkischen Öffentlichkeit sagten die Schwulen-Gruppen die Türkei-Reise aber ab. Der Erlass Tantans wurde offenbar aber nicht zurückgezogen.

Deshalb fanden sich bei der Ankunft der "Olympic Voyager" in Istanbul nicht nur die türkische Polizei ein, sondern auch viele Journalisten und ein Vertreter des US-Konsulats. Die Touristen selbst hatten inzwischen Wind davon bekommen, wieviel Staub ihr Abenteuer in Kusadasi aufwirbelte: Sie verlangten eine offizielle Entschuldigung der türkischen Regierung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false