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Panorama: Operation Aschenputtel

Am Samstag heiratet der spanische Kronprinz Felipe die TV-Moderatorin Letizia Ortiz – das Königshaus erhofft sich Prestigegewinn

Madrid - Keine Scheidungen, keine Skandale: Spaniens Königsfamilie, die am kommenden Samstag mit 1400 Gästen die „Jahrhunderthochzeit" des Thronfolgers Felipe (36) und der bürgerlichen Letizia (31) feiern wird, erwarb sich durch Bescheidenheit, Fleiß und große Seriosität den Ruf, die populärsten Royals der Welt zu sein. Dabei hilft König Juan Carlos (66) und Königin Sofia (65) vielleicht ihr durchaus nobles Arbeitsmotto: „Ein König muss sich seinen Thron Tag für Tag aufs Neue verdienen." Und: Die Majestäten seien „Diener des Volkes".

Die größte Sorge von Juan Carlos war denn auch zuletzt, dass sein einziger Sohn und Kronerbe endlich sein ausschweifendes Junggesellenleben aufgibt und unter die Haube kommt. Denn obwohl sich Felipe stets und wie gelernt mit größter Diskretion bewegte, sickerten doch in den letzten zehn Jahren wenigstens ein halbes Dutzend Romanzen mit schönen Models, Schauspielerinnen oder Diplomatentöchtern durch, die zu unerwünschtem Hofklatsch führten. Gipfelpunkt der Schlagzeilen war sein Abenteuer mit der norwegischen Laufsteg-Schönheit Eva Sannum, das Monarchisten vorübergehend als „ernste Gefahr für das Königshaus“ einordneten.

Diese kleine Familienkrise scheint nun überwunden. Juan Carlos und Sofia verkündeten ihre „große Befriedigung" über die anstehende Vermählung ihres Jüngsten mit der spanischen Journalistin Letizia Ortiz. Auch wenn es die Zustimmung der königlichen Eltern nicht ohne Diskussion gegeben haben soll.

Die Spanier kannten Letizia Ortiz schon vor deren Verlobung mit dem Kronprinzen Felipe. Sie war als Moderatorin der Nachrichtensendung des staatlichen Fernsehens TVE fast täglich auf dem Bildschirm zu sehen.

Letizia Ortiz wird, wenn Felipe eines Tages den Thron besteigt, die erste Königin in Spanien aus nichtadligem Hause sein. In der Presse brachte ihr dies die Bezeichnung „spanisches Aschenputtel“ ein.

Immerhin geht es ja um eine Beziehung, von deren Erfolg, Gelingen und Glaubwürdigkeit die Zukunft des „Casa Real“ abhängen wird. „Es genügt nicht, auf einem Sockel zu stehen, um respektiert zu werden“, predigte Juan Carlos seinem Sohn schon vor längerer Zeit. „Denn wenn das Volk gegen Dich ist, kannst Du einpacken.“ Besonders, weil Königstitel ja nun mal nicht von den Untertanen per Demokratie vergeben werden, sondern meist, wie auch im Falle Felipes und seiner Letizia, ererbt oder erheiratet werden. Bei Juan Carlos war die Besteigung des Thrones im Jahr 1975 mit einem weiteren Kapitel belastet: Der Enkel des letzten regierenden Königs Alfonso XIII. war von Spaniens Rechtsdiktator Francisco Franco (1939-1975) zum künftigen Staatschef und König auserwählt worden. Dass die große Mehrheit des Volkes in den letzten 29 Jahren trotzdem hinter ihrem königlichen Staatschef und seiner Frau Sofia – sie ist eine gebürtige Prinzessin aus Griechenland – stand, hat viel mit der Vorreiterrolle zu tun, die Juan Carlos bei der Demokratisierung des Staates spielte.

Auch sein entschiedenes Vorgehen gegen den Militärputsch am 23. Februar 1981 haben ihm die Bürger nicht vergessen. Königin Sofia erwarb sich derweil durch großes soziales Engagement den Ruf, die unangefochtene „Mutter der Nation“ zu sein.

Felipes Hochzeit mit Letizia, die nicht nur nicht blaublütig sondern auch noch von ihrem ersten Mann geschieden ist, soll nun erneut die Bürgernähe des spanischen Königshauses demonstrieren. „Diese Verbindung wird die Monarchie unter sozialen Gesichtspunkten modernisieren", glaubt Manuel Aragon, ein Madrider Rechtsprofessor, der auch Felipe als Student unterrichtet hatte. Die 31-jährige, geschiedene, aber beruflich als Journalistin und Nachrichtenmoderatorin anerkannte Letizia sei halt eine „typische Frau des 21. Jahrhunderts", streut das Königshaus, um jegliche Zweifel gleich im Keim zu ersticken.

Das Volk ist jedenfalls derzeit überwiegend entzückt. Plötzlich werden überall im Land Babys auf den Namen „Letizia" getauft. Zwei Drittel der Untertanen glauben, dass die junge Frau, die einmal zusammen mit Felipe auf den Thron rücken wird, eine gute Königin sein wird. Es scheint also ganz so, als ob die generalstabsmäßig geplante Operation „Jahrhunderthochzeit“, die übrigens so heißt, weil Spanien vor 98 Jahren die letzte Königshochzeit erlebte, ein voller Erfolg werden wird.

Ralph Schulze

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