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Sturm Tilo

© dpa

Orkan ''Tilo'': Sturmflut mit Ankündigung

Der erste Orkan dieses Herbstes hat über der Nordsee getobt. Er war bisher weniger schlimm als befürchtet. Dennoch stand Hamburg unter Wasser. Es gab zahlreiche Dünenabbrüche auf Nordsee-Inseln.

Orkanböen toben über der Nordsee, das Wasser steigt und steigt, Regen peitscht über Inseln und Halligen, die Fähren bleiben im sicheren Hafen. Die Nordsee hat am Freitag die erste große Sturmflut in diesem Herbst erlebt. Schon tags zuvor war überall gewarnt worden. So schlimm wie befürchtet wurde es dann aber nicht. Die Überschwemmungen hielten sich in Hamburg wie auch an allen anderen Küsten in Grenzen. Der Küstenschutz meldete vor allem Dünenabbrüche auf mehreren Inseln, etwa Langeoog und Juist. In Hamburg war die Sturmflut gegen 15 Uhr 30 und damit etwa eine Stunde früher eingetroffen als erwartet. Mit 5,42 Metern über Normalnull habe sie aber noch etwa einen Meter unter dem historischen Höchststand von 1976 gelegen, sagte eine Sprecherin des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrografie. In Hamburg standen unter anderem der Fischmarkt sowie Teile von Speicherstadt und Hafen-City unter Wasser. Einen noch höheren Pegelstand meldete nur das Ems-Sperrwerk bei Gandersum. Wie in Deutschland hielten sich die Flutschäden auch in anderen europäischen Ländern in Grenzen.

Auf Helgoland gab sich Bürgermeister Frank Botter am Morgen noch gelassen: „Das ist für uns ein Vorgang, den kennen wir, seit es Helgoland gibt.“ Doch am Nachmittag werden die Schäden durch Sturmtief „Tilo“ sichtbar. „So wie es aussieht, sind am Nordstrand der Düne hunderttausende Kubikmeter Sand vom Wasser weggerissen worden“, sagt Botter. Er befürchtet nun Millionenschäden. Der Sturm sei doch viel stärker als gedacht gewesen. Lutz Hardersen betreibt das Dünenrestaurant auf Helgoland. Er ist fassungslos: „Das ist dieses Mal sehr derbe. Seit 45 Jahren wohne ich auf Helgoland, aber so heftig habe ich es noch nie gesehen.“ Die Gischt peitscht auf den Nordstrand. Der auf der Düne gelegene Flugplatz bleibt zunächst von den Wassermassen verschont, große Teile der Hafenmole hat das Wasser verschluckt. Hardersen schätzt, dass am Nordstrand der Sand auf bis zu sechs Meter Breite abgerissen worden ist. „Das Buschwerk ist weg, es ist in der Nordsee verschwunden.“

Direkt vor der Küste geht es glimpflicher ab: Während dramatisch wirkende Fernsehbilder die guten Stuben von Flensburg bis zum Bodensee erreichen, sitzt der an diesem Tag arbeitslose Postschiffer Fiede Nissen auf Hallig Langeneß gelassen an seinem Schreibtisch und arbeitet seine Papiere auf. Dass draußen der „Blanke Hans“ – die stürmische Nordsee – sein Unwesen treibt und das Wasser überläuft, bringt den 58-Jährigen nicht aus der Ruhe. „Nichts Dramatisches, aber ein sattes Landunter“, kommentiert der Inselbriefträger. Auf 2,20 Meter über den normalen Hochwasserstand ist die Nordsee gestiegen, erst über 2,50 Meter kommt man hier so langsam ins Grübeln. In Husum wird diese Marke wie vorhergesagt exakt erreicht, dann zeichnet sich bei deutlich nachlassendem Wind Entspannung ab. Wie Nissen gehen viele an der Nordsee mit dem Unwetter um, das Landratten schnell in Panik versetzt. „Es ist einfach nur Schietwetter“, sagt am Vormittag eine Husumerin. Aber wer bei diesem Sturm und dem hässlichen Regen nicht aus dem Haus muss, bleibt zu Hause bei einer Tasse Tee oder auch einem Pott „Pharisäer“, dem mit Rum und Sahne veredelten Kaffee. Über die Insel Pellworm fegt der Sturm immerhin mit bis zu 126 Kilometer pro Stunde hinweg. „Es ist ziemlich heftig“, räumt auch der sturmerprobte Jürgen Feddersen ein, ein auf der kleinen Insel lebender CDU-Landtagsabgeordneter. In Westerland auf Sylt wagen sich trotz Windstärke 11 beachtlich viele Schaulustige auf die Promenade, um sich richtig durchwehen zu lassen.

Rund 1000 Kilometer Hauptdeiche schützen Norddeutschland vor Sturmfluten der Nordsee. Gut 500 Kilometer und 14 Sperrwerke bilden in Niedersachsen und in Bremen das von Menschen errichtete Bollwerk gegen die Gewalt anrollender Sturmfluten. Ergänzt wird das Flutabwehrsystem von mehr als 600 Kilometern Flussdeichen. Mit der Befestigung und Erhöhung der meisten Deiche wurde in den vergangenen Jahrzehnten die bittere Lehre aus der verheerenden Orkanflut von 1962 gezogen.

Spektakulär ist im niederländischen Rotterdam das riesige Maeslant-Sperrwerk, das die Sturmflut stoppt. Es wurde am Freitag geschlossen. dpa/AFP

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