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Pakistan: Die Hilfe stockt schon wieder

Acht Millionen Menschen warten in Pakistan noch auf Nothilfe – und den UN gehen die Spenden aus.

Zwar ist das meiste Wasser, das der fast vierwöchige Monsunregen in Pakistan hinterlassen hat, mittlerweile ins Arabische Meer abgeflossen – die verheerenden Folgen für die überschwemmten Dörfer im Süden des Landes und ihre Einwohner sind aber noch lange nicht behoben. Mindestens acht Millionen Betroffene seien noch in Not und brauchen dringend Hilfe, erklärte am Donnerstag Manuel Bessler, der schweizerische Chef von UNOCHA, der UN-Einrichtung für die Koordinierung humanitärer Hilfen. Mit der angelaufenen humanitären Hilfsaktion „ungesehenen Ausmaßes“ müssten die Menschen „von der Karakoram-Bergkette im Norden bis zum Arabischen Meer im Süden“ erreicht werden. Dabei gerieten die Hilfszahlungen inzwischen wieder ins Stocken und würden seit Anfang vergangener Woche „beinahe stagnieren“.

In den vergangenen zehn Tagen seien die für die Nothilfe bereitgestellten Finanzmittel nur noch von 274 Millionen Dollar auf 291 Millionen Dollar gestiegen, erklärte Bessler. Sie hätten damit erst knapp zwei Drittel der am 11. August von der UN erbetenen Soforthilfe von 460 Millionen Dollar (360 Millionen Euro) erreicht. „Wir kriegen seit ein paar Tagen einfach nichts mehr“, berichtete Bessler. Würde nicht schnell weiteres Geld fließen, würden die Rettungs- und Hilfsaktionen schwer beeinträchtigt, warnte der UN-Beamte.

Von den seit mehr als einem Monat anhaltenden Überschwemmungen sind nach UN-Angaben mehr als 18 Millionen Menschen direkt betroffen, mindestens 1760 kamen ums Leben. 4,8 Millionen Menschen wurden durch die Katastrophe obdachlos. Mehr als 3,6 Millionen Hektar Ackerland wurden zerstört.

Weltbank-Chef Robert Zoellick teilte am Mittwoch in Washington nach einem Treffen mit dem pakistanischen Finanzminister Hafeez Shaikh mit, das dem Land Mitte August gewährte Darlehen über 900 Millionen Dollar werde auf eine Milliarde Dollar (rund 781 Millionen Euro) aufgestockt. Das Geld solle ebenso für dringende Nothilfe wie für den langfristigen Wiederaufbau des Landes benutzt werden. Trotz der aktuellen Krise dürften auf lange Sicht jedoch auch „wichtige wirtschaftliche Reformen“ nicht aus dem Blick verloren werden, mahnte Zoellick.

Zwar haben die führenden Nationen fast eine Milliarde Dollar allein für die Nothilfe zugesagt, bisher treffen aber überwiegend Sachgüter in dem Land ein und nur sehr wenig Bargeld. Im Land wird auch an der Glaubwürdigkeit des Präsidenten Asif Ali Zardari und der Regierung gezweifelt: Ihnen wird vorgeworfen, die Vergabe der Hilfen seit Wochen nur schlecht und nicht großzügig genug zu organisieren – oder sie sogar zu verhindern.

Unterdessen erhob der pakistanische UN-Botschafter schwere Vorwürfe gegen wohlhabende Landbesitzer in den Hochwassergebieten. Sie hätten das Hochwasser in Dörfer umgeleitet, um ihre Ernte zu schützen, sagte Abdullah Hussain Haroon der BBC.

So droht aus der gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Überlebenskrise bald eine politische zu werden. Um die zu vermeiden, wäre eine überparteiliche Initiative der Regierung notwendig – auch um das bestehende Vertrauensdefizit im Ausland überwinden zu können, meint der Politikwissenschaftler Shahzad Chahudhry. Dabei geht es nach wie vor um akute Nothilfe – vom Wiederaufbau des Landes oder Entschädigung und Wiedereingliederung der Vertriebenen sei lange noch gar keine Rede, erklärte UN-Pressesprecher Maurizio Giuliano.

Den gesamtwirtschaftlichen Schaden der Katastrophe taxiert Pakistans Regierungschef Yousuf Raza Gilani auf 43 Milliarden Dollar (34 Milliarden Euro).

Die eigentliche Krise werde sich jetzt erst entfalten, warnt auch Anees Jeelani, ein Rechtsanwalt, der sich mit Kinderarbeit beschäftigt. 2,4 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind schon unterernährt, 3,5 Millionen durch verdrecktes Wasser gefährdet. Viele leiden schon unter Malaria oder Typhus, Magen- und Lebererkrankungen. Sonia Khush von „Save the Children“ erinnert an fast 100 000 schwangere Frauen, die in den Überschwemmungsgebieten in den nächsten Wochen die Geburt ihrer Babys erwarten – „in enormer Gefahr direkt in eine Überlebenskrise hinein“. „Wir wollen verhindern, dass Millionen an Infektionen erkranken“, hofft UN-Mitarbeiter Martin Mogwanja.

Imtiaz Gul[Islamabad]

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