zum Hauptinhalt
Kinder im Hintergrund verdecken ihre Gesichter, die Mütter werden von der Nachrichtenagentur Reuters in ihrem Dorf Husain Khan Wala interviewt. Ein Missbrauchsskandal in mehr als 280 Fällen erschüttert Pakistan.

© REUTERS

Update

Pakistan: Kindesmissbrauch in 280 Fällen

In einem Dorf in Pakistan ist fast jedes zweite Kind Opfer einer Bande geworden. Medien sprechen von bis zu 300 Missbrauchsfällen. Die Bande erpresste die Familien mit den Videos.

Das Dorf Hussain Khanwala könnte als Ort des Schreckens in die Geschichte Pakistans eingehen: Seit Montag untersuchen die Behörden der Provinz Punjab offiziell den vielleicht größten Fall von Kindesmissbrauch in dem Land. Mindestens 280 Kinder sollen jahrelang von einer Bande sexuell missbraucht und die Eltern mit Videoaufnahmen der Taten erpresst worden sein. Örtliche Polizeivertreter bezeichneten die Vorwürfe indes als übertrieben. Eine Bande von etwa 25 Männern habe die zumeist unter 14 Jahre alten Kinder seit 2007 sexuell misshandelt und hunderte Videos ihrer Taten gedreht, sagte der Opferanwalt Latif Ahmed Sara. Die Kinder seien teilweise auch gezwungen worden, aneinander sexuelle Akte zu verüben. Er gehe davon aus, dass jedes zweite Kind in Hussain Khanwala ein Opfer sexuellen Missbrauchs sei.

Das Dorf liegt südwestlich der zweitgrößten pakistanischen Stadt Lahore. Die Angehörigen der Opfer werfen den Tätern auch vor, sie mit den Videos erpresst zu haben. "Sie haben 2011 ein Video von meinem Sohn gemacht und seitdem haben wir die Erpresser bezahlt", erzählte eine Mutter. Die Videos seien "ekelhaft". Die Provinzregierung von Punjab reagiert mit den offiziellen Ermittlungen auf nach Protesten von Medien und Menschenrechtlern gewachsenen öffentlichen Druck. In der vergangenen Woche hatte die Polizei sich bereits mit dem Skandal befasst, war jedoch zu dem Schluss gekommen, dass die Anschuldigungen jeder Grundlage entbehrten. Daraufhin kam es in der Kleinstadt Kasur bei Lahore zu gewalttätigen Ausschreitungen hunderter wütender Eltern der mutmaßlichen Opfer gegen die Polizei, mehr als 20 Menschen wurden verletzt.

Größter Fall von Kindesmissbrauch in der Geschichte Pakistans

Auch Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif, dessen Wahlkreis in Lahore liegt, gab nun in einer Erklärung seiner "Wut" und seinem "Schmerz" über den Skandal Ausdruck. Keiner der Verantwortlichen werde seiner Strafe entgehen. Nach Angaben des Leiters des Kinderschutzbüros der Provinz, Saba Sadiq, handelt es sich "um den größten Fall von Kindesmissbrauch in der Geschichte Pakistans". Wahrscheinlich sei bislang nur "die Spitze des Eisbergs" sichtbar", sagte er der Zeitung "Daily Times". Die lokalen Polizeibehörden warfen indes Medien und Menschenrechtsaktivisten vor, den Fall aufzubauschen: Bezirkspolizeichef Rai Baber Saeed sagte, es werde alles getan, Schuldige dingfest zu machen. Es handle sich aber um einen alten Fall, den die Dorfbewohner in einem Streit um Landbesitz zu instrumentalisieren versuchten. Diejenigen, die jetzt als Opfer posierten, versuchten nur, "einen sehr alten Vorfall" zu Geld zu machen, sagte auch der regionale Polizeichef Shahzad Sultan. Seit Auftauchen der ersten Vorwürfe seien acht Verdächtige festgenommen worden. Danach hätten die "Vorfälle" aufgehört. Es gebe aber eine Gruppe von etwa 20-jährigen Jungen, die zum Spaß Videos von "einvernehmlichem Sex" drehten.

Im tiefkonservativen, muslimischen Pakistan ist Sexualität ein tabuisiertes Thema. Es gilt vielerorts auch als Schande für die Familie, wenn ein Mitglied öffentlich macht, Opfer eines Sexualverbrechens gewesen zu sein. Diese Denkweise sorge dafür, dass Missbrauch oft nicht enthüllt werde, kritisierte der Menschenrechtler Samar Minallah. "Es ist an der Zeit, dass das Schweigen ein Ende hat." Pakistanischen Kinderschützern zufolge wurden im vergangenen Jahr 3500 Fälle sexueller Misshandlung von Kindern registriert, die Dunkelziffer könnte deren Schätzungen zufolge um die 10.000 liegen. (AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false