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Panorama: Passagiere der "Sleipner" schildern ihren Kampf ums Überleben - Vor allem die Jüngeren schafften es

"Es war der reinste Titantic-Horror", schildert der 21jährige Björn Andre Helle, einer der Überlebenden des Schiffsunglücks vor der norwegichen Küste die Panik, die ausbrach, als die Katamaran-Passagierfähre "Sleipner" bei Haugesund im Sturm und hohem Wellengang auf einen Felsen auflief, leckschlug und binnen 42 Minuten versank. Mindestens 18 Menschen kamen ums Leben.

"Es war der reinste Titantic-Horror", schildert der 21jährige Björn Andre Helle, einer der Überlebenden des Schiffsunglücks vor der norwegichen Küste die Panik, die ausbrach, als die Katamaran-Passagierfähre "Sleipner" bei Haugesund im Sturm und hohem Wellengang auf einen Felsen auflief, leckschlug und binnen 42 Minuten versank. Mindestens 18 Menschen kamen ums Leben. 70 der 88 oder 89 Menschen an Bord konnten zwar gerettet werden, doch die Passagiere werfen der 8-köpfigen Mannschaft vor, sie im Stich gelassen und sie nicht in die Rettungsinseln gebracht zu haben. Ungeklärt ist die Ursache des Unglücks, bekannt ist nur, daß das Schiff vom Kurs abgekommen war; ob die Schnellfähre aber bei der schwierigen Wetterlage ein zu hohe Geschwindigkeit fuhr, werden erst Untersuchungen und die Verhöre mit dem geretteten Kapitän ergeben.

Die Sleipner war auf dem Wege von Stavanger nach Bergen mit vielen Stops auf dem Wege; besonders junge Leute nutzten die Passagierfähre, die hier an der zerklüfteten Küste das schnellste Verkehrsmittel ist, um zum Wochenende nach Haus zu fahren. Der Katamaran gleicht eher einem Bus, die Passagiere sitzen dichtgedrängt in Sitzreihen. Starker Wind bis Sturm herrschte, und in diesem Gewässer kann die Fähre nicht im Schutz der Inseln fahren, die Brecher schüttelten das leichtgebaute Schiff aus Aluminium. Gegen 19 Uhr bremste die Sleipner plötzlich, und es knallte besonders stark gegen die Außenwand; die Fähre war auf eine kleine Felseninsel aufgelaufen. Nach 20 Minuten rutschte sie wieder ins Meer hinab, Wasser drang ein, dann ging das Licht aus, Panik brach aus.

Die Überlebenden schilderten, ein Gefühl der Hilflosigkeit habe sich ausgebreitet. Es kam zwar zuerst eine Lautsprecher-Durchsage, doch es hieß, Anlaß zur Furcht bestehe nicht, offenbar verließ sich die Schiffsführung darauf, daß die "Sleipner" schwimmfähig bleibe. Als dann das Wasser hereinströmte, war die Mannschaft nicht zur Stelle, um die Rettung zu leiten. "Wir mußten uns selbst helfen", berichtet die 37jährige Sölve Litleskare, Mutter von drei Kindern. Die vorhandenen Schwimmwesten waren schwer zu hantieren, hohe Gatter machten das Verlassen des Schiffes schwierig, erst als die Fähre schließlich unterging, stürzten die Menschen planlos ins Meer. Glücklicherweise war das Wasser mit etwa 10 Grad für die Jahreszeit noch ungewöhnlich warm, sonst wären noch mehr erfroren.

"Plötzlich öffnete sich meine Schwimmweste", berichtet Sölve Litleskare, "obwohl ich einen doppelten Knoten gebunden hatte. Aber ich konnte mich über Wasser halten. Neben mir trieben andere, einige schienen bewußtlos zu sein, ich weiß nicht, wie es ihnen ergangen ist." Die 28-jährige Ann Kristine Dalseg berichtete, wie sie allein bei völliger Dunkelheit in peitschenden Wellen darum kämpfte, an der Wasseroberfläche zu bleiben. "Plötzlich sah ich das Licht eines Schiffes und schwamm in diese Richtung. Dann kamen vier andere, wir blieben zusammen und 20 Minuten später waren wir gerettet", sagte Dalseg.

Der Untergang erzeugte einen Sog, der umso gefährlicher war, als überall Inneneinrichtung, Gerätschaften und Tauwerk herumtrieben. Björn Andre Helle, berichtet: "Es war wie im Titianic-Film, den ich kürzlich sah. Ich wurde von dem Strudel hinabgerissen, ich dachte meine letzte Stunde sei gekommen. Doch dann konnte ich mich an eine Sitzbank klammern, mit der trieb ich, bis ich gerettet wurde." Bald waren andere Boote und Schiffe vor Ort, die die meisten der im aufgewühlten Meer verzweifelt um ihr Leben Kämpfenden retteten. Nur dem Umstand, daß die meisten Passagiere junge, relativ kräftige Menschen waren, ist es zu verdanken, daß das Unglück nicht noch mehr Opfer kostete; die Mehrheit der Ertrunkenen waren ältere Leute.

Mehr als tausend Fähren bringen in Norwegen Passagiere von Küstenstadt zu Küstenstadt oder von der einen Seite eines Fjordes auf die andere - das ist meist der kürzere und vor allem schnellere Weg als der über Land. Auch um eine der 50 000 Inseln zu erreichen, ist ein Boot das billigste Transportmittel. "Bei uns steigt man aufs Schiff so wie man andernorts einen Bus nimmt", sagte ein Behördensprecher. Die schnellsten Boote, überdies leicht zu navigieren, sind die Katamaran-Fähren wie die "Sleipner". Rund hundert dieser "Concorde des Meeres" sind in Norwegen im Einsatz.

Jörgen Detlefsen

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