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© EPA

Philippinen: Unter Wasser

Vier Taifune trafen innerhalb eines Monats auf die Philippinen – die Menschen kämpfen gegen die Fluten.

Eigentlich sollte die Taifun-Saison im Pazifischen Ozean schon vorbei sein. Doch dieses Jahr ist es anders: In der Nacht auf Samstag traf der vierte schwere Tropensturm innerhalb von fünf Wochen auf die Philippinen. Und die Wetterdienste warnen, dass das womöglich noch nicht alles war. Bis Ende Dezember könnten weitere Taifune auf den Inselstaat östlich Vietnams zukommen, berichtet Mero Santos, der für die Cordillera Peoples Alliance arbeitet. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) setzt sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung auf der Hauptinsel Luzon ein. Barry Came, der für das Welternährungsprogramm (WFP) in Manila arbeitet, sagte dem Tagesspiegel: „Das ist der Klimawandel bei der Arbeit.“

Die Zerstörungen durch die Taifune selbst sind schwerwiegend. Doch was sie für die Bevölkerung wirklich dramatisch macht, ist der Regen, den sie mit sich bringen. Auch der jüngste Taifun „Mirinae“ hat nach Cames Angaben mehr als 400 Milliliter Regen pro Quadratmeter in 24 Stunden gebracht. „Ketsana“, der die Inselgruppe am 26. September traf, war noch schlimmer. Das Ergebnis sind eine Vielzahl von Erdrutschen, und in der Hauptstadt steht vielerorts das Wasser seit mehr als vier Wochen in den Straßen. Nicht weit von Manila liegt ein großer Binnensee, dessen Wasserpegel ebenfalls weit über dem Normalen liegt. Die Dörfer rund um den See sind alle überschwemmt, berichtet Came. Mero Santos sagt, die Regierung habe einige Regionen zu Hochrisikogebieten erklärt, weil dort mit Erdrutschen gerechnet werden müsse. Doch die abgeschiedenen ländlichen Gegenden könnten einfach nicht evakuiert werden, die Menschen dort „können nirgendwo hingehen“. Außerdem sei das Land, das sie von ihren Vorfahren geerbt haben, ihr einziger Besitz.

Dass eine Evakuierung zwar das Leben retten kann, aber nicht das Weiterleben sichert, berichtet auch Pierluigi Testa, der für die Ärzte ohne Grenzen die Nothilfe nach den Taifunen koordiniert. Hunderttausende Menschen lebten seit mehr als einem Monat in staatlich geführten Notunterkünften in der Hauptstadt. „Und da werden sie noch mindestens bis zum Ende der Regenzeit im Januar bleiben müssen“, berichtet Testa. Wegen des stehenden Wassers breiten sich Durchfallkrankheiten rasant aus, es gibt nach Testas Angaben auch die ersten Cholerafälle, wobei er einschränkt, dass diese in Gebieten aufgetreten seien, in denen es nahezu immer Cholera gibt. Eine schwere Bedrohung stelle jedoch die Lepospirose dar, eine bakteriell übertragene Krankheit, die im stehenden Wasser durch Tierfäkalien weitergegeben wird. Etwa 150 Menschen sollen bereits daran gestorben sein.

Das WFP hat nach dem zweiten Taifun „Ketsana“ die Geberländer um rund 26 Millionen Dollar gebeten, um etwa eine Million Menschen für etwa drei Monate ernähren zu können. Nach Cames Angaben ist etwa die Hälfte der Mittel eingegangen. Doch weil seither zwei weitere Taifune über die Inseln gefegt sind, seien inzwischen acht Millionen Menschen von den Folgen der Wetterkatastrophen betroffen. Came schätzt, dass etwa 1,5 Millionen von ihnen Nahrungsmittelhilfe brauchen, um zu überleben.

Santos Mero berichtet, dass viele Menschen in den ländlichen Gebieten im Norden der Insel erbittert sind, weil sie nicht nur mit den Folgen der Stürme selbst zu kämpfen haben. Weil eine Reihe von Stauseen dem Starkregen ebenfalls nicht gewachsen war, sei Wasser aus den Dämmen abgelassen worden, ohne die Bevölkerung vorher zu warnen. In einem Fall ermittle deshalb inzwischen eine Untersuchungskommission des Parlaments, berichtet Mero. Barry Came sagt, der Schwerpunkt der WFP-Hilfe sei genau auf diese abgeschiedenen Regionen ausgerichtet, in denen zum Teil auch einen Monat nach den ersten Stürmen keine Hilfe angekommen sei, weil sie nicht mehr zugänglich seien. Zwei Hubschrauber des WFP seien ständig im Einsatz, um Nahrung und Hilfsgüter dorthin zu bringen, wohin bisher keiner gekommen sei. Mero Santos ergänzt, dass eine Vielzahl von einheimischen NGOs, die teilweise ausländische Partner haben, wie etwa den Evangelischen Entwicklungsdienst (EED), bisher die einzige Hilfe in diese Gegenden bringen konnten. Die Regierung habe die Hilfsgüter aus dem Ausland zentralisiert, sei aber gar nicht in der Lage, sie auch überall sofort zu verteilen. Rund 1000 Menschen starben bisher durch die Taifune und deren Folgen auf den Philippinen.

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