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Panorama: Piercing: Schmuck, der unter die Haut geht

Friseure werden drei Jahre ausgebildet. Doch wenn es unter die Haut geht, ist eine Ausbildung offenbar nicht nötig.

Friseure werden drei Jahre ausgebildet. Doch wenn es unter die Haut geht, ist eine Ausbildung offenbar nicht nötig. "Wer nichts wird, wird Wirt - das gilt nicht mehr. Heute heißt es: Wer nichts wird, wird Piercer." Worte von einem, der es wissen muss. Marc Hermanns ist Vorstandsvorsitzender der Ersten Organisation Professioneller Piercer e.V. Missglückte Dachdecker, gescheiterte Schlosser habe er schon gesehen, die diesen Beruf ergriffen hätten. "Nichts gegen Dachdecker - aber der Großteil der Piercer hat von Medizin nicht die leiseste Ahnung", sagte Hermanns am Mittwoch in Berlin auf einer Ankündigung des Hauptstadtkongresses Medizin und Gesundheit 2001, der vom 16. bis 18. Mai stattfinden wird.

Unter die Haut. Piercing (wörtlich "durchstechen") erscheint da noch als eher harmlose Variante. Stapling, Branding, kurz: "Bodmod" für "Body Modification" - das ist schon eine ganz andere Schmerzkategorie. Beim Stapling werden mit chirurgischen Metallclips absichtlich Dauerwunden herbeigeführt. Nach der Infektion der Wunde bleiben großzügige Narben. Manche haben mit dieser Prozedur so schon ihr ganzes Gesicht "verbessert".

Branding hat Ähnlichkeiten mit dem Brandmarken von Vieh. Erhitzte Matrizen werden auf die Haut gepresst; die Variationen an Narbenmustern sind schier endlos. Und beim letzten Schrei aus New York ritzen die Körperschmücker einen leichten Schnitt in die Haut, um dann verschiedene Implantate einzusetzen - ein Herz, das sich durch die Haut drückt, einen Stern, oder kleine Kügelchen aus rostfreiem Stahl. "Body Modification ist ein neuer Trend. Du experimentierst mit der einzigen Sache, die du wirklich besitzt: deinem Körper", sagt Keith Alexander von der Vereinigung Professioneller Piercer in New York.

Doch schon die harmlosere Variante, das Piercing, birgt Gesundheitsrisiken. 2500 Piercing-Studios gibt es mittlerweile in Deutschland - offiziell. "75 Prozent dieser Betriebe arbeiten unter mangelnden hygienischen Bedingungen und ohne jegliches medizinisches Wissen", sagt Hermanns. Der Körperschmuck ruft nicht nur häufig Allergien und Entzündungen hervor; rund 600 000 der zwei bis drei Millionen Träger sind davon betroffen. Es drohen auch Nervenverletzungen und irreparable Lähmungen. "Die häufigsten und zum Teil sogar lebensgefährlichen Komplikationen sind Infektionen mit blutübertragbaren Viren, wie HIV", sagt der Arzt Hans Rudolph, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie.

Piercing wird zwar privat bezahlt, die damit verbundenen Gesundheitsschäden aber tragen die Krankenkassen. Die Kosten der Komplikationen erreichen zweistellige Millionenhöhe. So geht das Piercing, das manchen unter die Haut geht, letztlich allen ans Leder.

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