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© dpa

Piraten: Aus der Schusslinie

Nach der Befreiung der zwei deutschen Geiseln hält sich Deutschland im Kampf gegen die Seeräuber vor der somalischen Küste auffällig zurück. Die vor Ort eingesetzte Fregatte "Emden" wird abgezogen und durch zwei Flugzeuge ersetzt.

Das deutsche Segler-Paar, das nach sechs Wochen Gefangenschaft von somalischen Piraten freigelassen wurde, ist nach Angaben des Auswärtigen Amts wohlauf. Der 63 Jahre alte Skipper und seine 51-jährige Lebensgefährtin aus Baden-Württemberg "befinden sich gegenwärtig in sicherer Obhut in der Deutschen Botschaft in Nairobi und werden dort intensiv betreut", sagte ein Außenamtssprecher. Die Befreiten seien von den Strapazen der Geiselhaft gezeichnet, es gehe ihnen aber den Umständen entsprechend gut.

Nach Angaben der somalischen Behörden wurde ein Lösegeld von einer Million Dollar gezahlt. Ein Vermittler erklärte, die Seeräuber, die ursprünglich zwei Millionen Dollar forderten, hätten nur 600.000 Dollar erhalten. Den Rest hätten die Behörden von Puntland kassiert. Unklar ist, wer das Geld gezahlt hat.

Die Zahl der Piratenüberfälle vor Somalia nimmt zu. Deutschland und andere Länder versuchen der Lage Herr zu werden, sehen sich aber mit zahlreichen Problemen konfrontiert.

"Emden" wird durch Seeaufklärer ersetzt

Seit 2001 patrouillieren Kriegsschiffe im Rahmen der internationalen Anti-Terrormission "Operation Enduring Freedom" (OEF) am Horn von Afrika – die Bundeswehr war seit Januar 2002 regelmäßig mit mindestens einer Fregatte bei der Mission vertreten. Zuletzt war von deutscher Seite die "Emden" für die Überwachung des Seegebiets rund um die Arabische Halbinsel, vor der somalischen Küste und im Indischen Ozean im Einsatz. Inzwischen hat die Bundeswehr ihr Dickschiff allerdings aus der Region abgezogen: Seit dem 8. Juli haben zwei Flugzeuge des Marinefliegergeschwaders 3 "Graf Zeppelin" – sogenannte Seefernaufklärer des Typs "P-3 C Orion" – die Aufgaben der "Emden" übernommen. Fünf Monate sollen die deutschen Seefernaufklärer im Einsatz bleiben.

Dieser Schritt sei seit längerem geplant gewesen, heißt es im Bundesverteidigungsministerium (BMVg). Begründet wird der Tausch unter anderem mit der langen "Stehzeit" der Flugzeuge, die bis zu zehn Stunden am Stück eingesetzt werden können und somit einen Radius bis zu 1600 Seemeilen abdecken können. Die Seefernaufklärer erstellen während des Fluges mittels Radar und optischen Sensoren ein Lagebild, welches sie an die im Einsatz befindlichen Fregatten anderer Nationen weiterleiten. "Es liegt sowohl im Interesse der Verantwortlichen für die Operation Enduring Freedom als auch im Interesse der Deutschen Marine, über leistungsfähige Seefernaufklärer in diesem Gebiet zu verfügen", sagte ein Sprecher des BMVg dem Tagesspiegel. "Der Einsatz eines deutschen Seefernaufklärers ergänzt die Fregatten mit seinen Fähigkeiten zur luftgestützten weiträumigen Überwachung und Aufklärung."

Dass der Abzug der deutschen Fregatte auch politische Hintergründe haben könnte, wollte das BMVg nicht bestätigen. Eine solche Annahme liegt aber auf der Hand: Der Rückzug der "Emden" fällt in eine Zeit, in der sich Piratenangriffe auf Handelsschiffe und Privatyachten vor der Küste Somalias gehäuft haben. In Deutschland entbrannte eine Debatte darüber, ob die am Horn von Afrika befindlichen deutschen Seestreitkräfte gegen Seeräuber vorgehen können – und wie weit sie dabei gehen dürfen.

Seeräuberbekämpfung ist Aufgabe der Bundespolizei

Die Bundeswehr argumentierte, der Kampf gegen Piraten sei nach deutschem Recht eine ausschließliche Angelegenheit der Bundespolizei; überdies sei ein Einsatz deutscher Streitkräfte gegen Seeräuber laut geltendem Mandat für den OEF-Einsatz nicht möglich. In der Tat spricht das sogenannte Seeaufgabengesetz der Bundespolizei die Zuständigkeit zur Pirateriebekämpfung seewärts, also außerhalb deutscher Küstengewässer, zu.

Dass die Bundespolizei allein, und sonst keine andere staatliche Institution gegen Seeräuber vorgehen darf, geht aus dem Gesetzestext allerdings nicht hervor. Zudem haben Staaten laut internationalem Seerechtsübereinkommen (SRÜ) der Vereinten Nationen die Verpflichtung "in größtmöglichem Maße zusammenzuarbeiten, um die Seeräuberei auf Hoher See oder an jedem anderen Ort zu bekämpfen, der keiner staatlichen Hoheitsgewalt unterliegt". Da Deutschland das SRÜ ratifiziert hat, gilt diese Verpflichtung auch für die Bundesrepublik – und somit auch für Schiffe der deutschen Marine am Horn von Afrika.

Durch den Abzug der "Emden" und den Einsatz der Seefernaufklärer in der Piratenregion hat sich die deutsche Marine buchstäblich aus der Schusslinie gebracht – vorerst. Die "Orions" dienen dabei einerseits als probates Mittel, um weiterhin am OEF-Einsatz beteiligt zu bleiben. Auf der anderen Seite erscheint ein Einsatz aus der Luft gegen Piraten unwahrscheinlich: Ein Flugzeug verfügt nicht über die geeigneten Mittel, um gegen Piraten vorzugehen. mit dpa

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