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Kriegsschiff "Emden"

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Piratenüberfall: Die "Emden" konnte sie nicht retten

Darf die deutsche Marine bei Entführungsfällen auf dem Wasser - sprich Piraterie - eingreifen? Die Entführer verlangen für die dreiköpfige Familie Lösegeld - die Begleitumstände des Falles sind noch nicht geklärt.

Von
  • Frank Jansen
  • Robert Birnbaum

Die Entführung von Deutschen durch somalische Piraten bleibt in Teilen mysteriös. Die deutschen Behörden haben einige Mühe, die aus dem afrikanischen Land und Nachbarstaaten eingehenden Informationen als wahr, halbwahr oder schlicht falsch zu bewerten. Sicher war am Mittwoch offenbar nur, dass am Montag auf einer deutschen Jacht ein Deutscher mit seiner Ehefrau in die Gewalt der Piraten geriet. Die Entführer brachten das Paar in Somalia bei Las Korey an Land und halten es im Gebirge an der Grenze zwischen der Region Puntland und der von Somalia abgespaltenen Republik Somaliland fest. Zumindest der Ehemann stammt nach Informationen des Tagesspiegels aus Baden-Württemberg. Die Nationalität seiner Frau war zunächst unklar. Im Umfeld der Bundesregierung hieß es, die Frau sei Deutsche, zuvor war von einer Französin oder einer Britin die Rede. Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Jäger, berichtete am Mittwoch in Berlin lediglich von „zwei deutschen Urlaubern“.

Die Behörden fragen sich, ob die Angaben eines Stammesältesten aus Puntland zutreffen, wonach das Paar mit einem minderjährigen Sohn unterwegs gewesen sein soll, der angeblich auch erkrankt ist. Laut Jäger gibt es keine Hinweise auf ein Kind. Was der Stammesführer namens Aqil Abshir Qadi gesagt haben soll, könnte der Versuch sein, „mit einer dramatischen Geschichte den Druck auf die deutschen Behörden zu erhöhen, Lösegeld zu zahlen“, sagte ein Experte, der namentlich nicht genannt werden wollte. An sichere Informationen heranzukommen sei „noch schwieriger als bei den Geiselnahmen im Irak oder in Afghanistan“.

Offen bleibt auch, ob sich noch ein Franzose an Bord der deutschen Segeljacht befunden hatte. Das Schiff war in Frankreich gestartet, hatte den Suez-Kanal und das Rote Meer durchquert und wurde vor der Küste Puntlands von den Piraten attackiert. Die Region gilt als Hochburg der somalischen Seeräuber. Womöglich haben zudem Fischer in der Erwartung einer „Provision“ die örtlichen Piraten auf die vor der Küste ankernde, fremde Jacht hingewiesen. Laut Auswärtigem Amt meldete sich am Dienstagabend ein Sprecher der Piraten. Nach Informationen des Tagesspiegels verlangen die Entführer Lösegeld. Politische Motive gibt es offenkundig nicht. Es sei von einem rein kriminellen Hintergrund der Tat auszugehen, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Jäger.

Die deutsche Fregatte „Emden“, die vor dem Horn von Afrika im Anti-Terror-Einsatz kreuzt, war für Nothilfe zu weit entfernt. Das Kriegsschiff hätte allerdings auch nur beim Angriff der Piraten eingreifen können, nach dem Ende des Überfalls nicht mehr. Das Mandat des Bundestags zur Teilnahme der Bundeswehr an der „Operation Enduring Freedom“ sieht, vor allem wegen verfassungsrechtlicher Probleme, keine Bekämpfung von Piraten vor. Nun regt sich Unmut. Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Kossendey (CDU), bedauerte am Mittwoch im „ARD-Morgenmagazin“, dass die Bundesmarine am Horn von Afrika nur eingeschränkt tätig werden kann. Einsätze gegen Piraten seien Sache der Bundespolizei, sagte Kossendey. Die Bundespolizei ist natürlich in der Region nicht präsent und wäre auch kaum in der Lage, den mit Speedbooten und modernen Waffen gerüsteten Piraten entgegenzutreten. Es sei ärgerlich, dass die Bundesmarine, die es mit den Seeräubern aufnehmen könne, „aus verfassungsrechtlichen Gründen daran gehindert wird“, sagte er. Er forderte eine „saubere verfassungsrechtliche Grundlage“ – also eine Grundgesetzänderung – für die Bekämpfung von Piraten durch die Bundeswehr. Allein im letzten Jahr seien weltweit 43 deutsche Schiffe von Piraten angegriffen worden. Die Anzahl der Vorfälle „wird ein Umdenken einleiten“, hofft Kossendey. Doch der FDP-Abgeordnete Rainer Stinner widersprach: Eine Änderung des Grundgesetzes sei überflüssig, das Völkerrecht gewähre bereits der Marine das Recht zur Bekämpfung der Piraterie. Im Regierungskreisen hieß es, „die Prüfung läuft, ob bei einer Ausweitung des Mandats zur Teilnahme an der Operation Enduring Freedom das Grundgesetz überhaupt geändert werden muss“.

Der Sprecher des Amtes, Martin Jäger, sagte in Berlin, in der Bundesregierung gebe es noch „Gesprächsbedarf" über eine deutsche Mitwirkung. Rechtlich sehe sein Haus aber kein Problem. Eine solche Aktion könne als „Maßnahme der kollektiven Sicherheit“ auf Basis von Artikel 24 des Grundgesetzes gewertet werden. Jäger wies darauf hin, dass der UN-Sicherheitsrat die Piratenbekämpfung vor Somalia ausdrücklich mandatiert und die somalische Regierung um Hilfe der Weltgemeinschaft gebeten habe.

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