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Panorama: Pizza: Schlemmen ohne Grenzen

Als Casanova im Sommer 1770 Neapel besuchte, stand auf seiner Menükarte neben reizenden jungen Damen Kulinarisches aus dem Golf: Geschmorte Tintenfische, Sorrentiner Fischsalat oder Schwertfisch mit Mandeln. Von der berühmtestes Tochter aus Neapels Küche, der Pizza, ist in seinen Tagebüchern keine Rede.

Als Casanova im Sommer 1770 Neapel besuchte, stand auf seiner Menükarte neben reizenden jungen Damen Kulinarisches aus dem Golf: Geschmorte Tintenfische, Sorrentiner Fischsalat oder Schwertfisch mit Mandeln. Von der berühmtestes Tochter aus Neapels Küche, der Pizza, ist in seinen Tagebüchern keine Rede. Denn sie war ein Arme-Leute-Essen, der Teig aus Wasser und Mehl, der Belag zusammengekratzt aus Küchenresten. Aber vielleicht wäre Casanova auf den Geschmack gekommen, hätte es jene Pizza schon gegeben, die in PalaTerme di Fiuggi in der Provinz Frosinone zur Pizza des Jahres 2001 gekrönt worden ist: Denn diese von der Römerin Roberta Giovine kreierte Pizza mit dem Namen "Golosa al profumo di tartufo" ("Schlemmerei mit Trüffelduft"), ist wohl schon etwas für edlen Geschmack. Der Belag dieser bei den "Ersten Italienischen Pizza-Meisterschaften" unter 150 Varianten als Siegerin hervorgegangenen Pizza besteht aus Trüffelcreme mit Provola-Käse und Tiroler Schinkenspeck. Vielleicht eine eigenwillige Komposition; aber sicher gefälliger als jene Pizza mit weißen Bohnen und Bratwurstscheibchen, die sich ebenfalls dem Wettbewerb gestellt hatte.

Umfragen haben herausgefunden, dass 60 Prozent aller Italiener mindestens einmal im Monat Pizza essen. Nach ihrer Lieblingspizza befragt, stellte sich heraus, dass aller Pizza-Erfindungskunst zum Trotz der Mythos der Margherita schwerlich zu schlagen ist.

In der Tat, in Italien und weit darüber hinaus ist die Margherita nach wie vor die beliebteste Pizza; vielleicht auch deshalb, weil sie eine eigene Historie hat. Sie begann am 11. Juni 1889. An jenem Tage war der neapolitanische Pizzabäcker Raffaele Esposito an den Hof der Savoyer-Königin Margherita gerufen worden, um der deutschblütigen Gemahlin von König Umberto I. eine Pizza zu servieren. Da musste nun etwas Besonderes her. Die bekannte Grundsubstanz zu verändern wäre gegen den Stolz des Bäckers und sicher auch gegen den Willen der Königin gewesen.

Also kredenzte Raffaele Esposito, und dabei stand er ganz in den emotionalen Regungen des anschwellenden Nationalismus im kaum 20 Jahre alten vereinigten italienischen Staat, eine Pizza in den Nationalfarben: Grünes Basilikum, weißer frischer Büffelkäse aus der Campagna und rote Tomaten zierten den Teig.

Die berühmteste und zugleich schlichteste aller Pizzen heißt Margherita, weil eine Königin vor fast 120 Jahren die sogenannte feine französische Küche satt hatte und Volkes Genüsse kosten wollte. Jene Savoyer-Regentin ist damit berühmt geworden, ohne dass die meisten Gourmets es wüssten. Ihr Zeitgenosse, der Dichter Giosue Carducci feierte die "l¥eterno femminino regale" der Margherita - "die königliche Würde des ewig Weiblichen". Er meinte nicht die Pizza.

Klaus J. Schwehn

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