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Ehrenmord

© dpa

Plädoyer: Staatsanwalt fordert lebenslange Haft für Ehrenmord

Im Hamburger Ehrenmord-Prozess sind die Plädoyers gesprochen worden. Der Staatsanwalt fordert die maximale Strafe für den angeklagten Bruder der getöteten Morsal O. Im Schlusswort brach der Angeklagte dann überraschend sein Schweigen.

Für den sogenannten Ehrenmord an der 16 Jahre alten Deutsch-Afghanin Morsal soll ihr Bruder nach dem Willen der Staatsanwaltschaft lebenslang hinter Gitter. Der Vertreter der Anklage, Staatsanwalt Boris Bochnick, fand in seinem Plädoyer vor dem Hamburger Landgericht am Donnerstag harte Worte. Es handle sich um eine Tat auf "niedrigster sozialer Stufe" und einen "Mord mit Ansage", sagte er. Morsals 24-jähriger Bruder habe die Ehre seiner Familie über das Leben seiner Schwester gestellt und diese nach jahrelangen Misshandlungen schließlich gezielt getötet.

"Seine Schwester funktionierte nicht so, wie sie sollte. In seiner Macho-Welt gab es darauf nur eine Antwort: Sie musste verschwinden", sagte er in seinem emotionalen Plädoyer und ergänzte: "Die Welt des Angeklagten ist eine Welt, die nicht diese, unsere ist." Er fühle sich an "das Mittelalter, finsterstes Mittelalter" erinnert.

Verteidigung: Mandant handelte im Affekt

Die Anwälte des Angeklagten forderten dagegen eine Verurteilung wegen Totschlags. Ihr Mandant habe im Affekt gehandelt und sei nur vermindert schuldfähig gewesen, sagte Verteidiger Hartmut Jacobi. Es sich bei der tödlichen Attacke auf Morsal nicht um einen Ehrenmord, sondern "eher um eine Familientragödie". Auch der Angeklagte ergriff am Donnerstag überraschend das Wort und wies den Mordvorwurf zurück. "Es war nicht irgendjemand, es war meine Schwester - ich hatte nicht den Vorsatz, sie zu töten", sagte er unter Tränen. Während des Prozesses hatte er bislang geschwiegen. Das Urteil gegen ihn soll voraussichtlich am 13. Februar fallen.

In dem Verfahren muss sich der 24-Jährige seit Dezember wegen einer tödlichen Messerattacke auf seine Schwester verantworten. Der Anklage zufolge soll er sie am 15. Mai 2008 aus Wut über ihren Lebensstil in eine Falle gelockt und auf einem Parkplatz in Hamburg- St. Georg mit 23 Messerstichen getötet haben. Das Verbrechen hatte bundesweit für Entsetzen ausgelöst. Der junge Mann war am Tag nach der Tat festgenommen worden und hatte den Angriff in den Vernehmungen bei der Polizei zugegeben.

Prozess wäre beinahe geplatzt

Der Angeklagte sei von kulturellen Wertvorstellungen hinsichtlich der Rolle von Frauen geprägt, "die jenseits unserer Verfassung liegen", sagte Bochnick. Er habe sich berufen gefühlt, das angeblich ehrlose Verhalten von Morsal zu unterbinden und die Familie vor Schande zu bewahren. Daher habe der 24-Jährige nach jahrelangen Konflikten mit Morsal deren Tod beschlossen.

Die Verteidiger wiesen diese Darstellung zurück und sprachen von Spekulationen, die nicht durch Beweise gedeckt seien. "Die Verteidigung ist der Meinung, es war kein Mord wegen der Ehre", sagte Anwalt Jacobi. Zwar habe die Familie vor der Tat offenbar versucht, Morsal mit "völlig inakzeptablen" Methoden in ihrem Sinne zu erziehen, sagte der Anwalt. Das spiele bei der Tat keine Rolle. Dabei seien einem psychisch gestörten Menschen vor dem Hintergrund eines tragischen jahrelangen Familienkonflikts "alle Sicherungen durchgebrannt".

Vor den Plädoyers hatte das Gericht den Befangenheitsantrag der Staatsanwaltschaft gegen eine Psychiaterin abgewiesen, auf deren Ausführungen sich die Verteidigung bei ihrem Annahmen maßgeblich stützt. Diese hatte dem 24-Jährigen verminderte Schuldfähigkeit bescheinigt und war deshalb vom Staatsanwalt als voreingenommen abgelehnt worden. Hätte das Gericht dem Antrag stattgegeben, wäre das Verfahren geplatzt und hätte mit einem anderen Gutachter neu aufgerollt werden müssen. (ut/dpa)

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