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Panorama: Plastische Chirurgie: Schönheit um jeden Preis

Xioping hat einen Kopf wie eine Wassermelone. Das geschwollene Gesicht des Mädchens ist in dicke weiße Verbände gewickelt, während sie unter offensichtlichen Schmerzen durch den Park vor dem Krankenhauses läuft.

Xioping hat einen Kopf wie eine Wassermelone. Das geschwollene Gesicht des Mädchens ist in dicke weiße Verbände gewickelt, während sie unter offensichtlichen Schmerzen durch den Park vor dem Krankenhauses läuft. Vor fünf Tagen hat sich die 20-Jährige hier im Osten von Peking operieren lassen, und obwohl sie immer noch nicht wieder richtig sprechen kann, scheint sie begeistert. "Seit ein paar Jahren hatte ich schon vorgehabt, zum Schönheitschirurgen zu gehen." Jetzt habe sie endlich genug Geld beisammen. Schmaler sollte ihr Gesicht nach dem Eingriff werden, "viel viel hübscher eben", sagt sie.

Hübscher - das bedeutet in China vor allem westlicher. Große runde Augen, kräftiger Nasenrücken, schmales Gesicht und weiße Haut. Um diesem westlichen Schönheitsideal zu entsprechen, legen sich nicht nur scharenweise Europäerinnen unter das Operationsmesser. Amerikanerinnen wünschen sich zum 18. Geburtstag nicht mehr an erster Stelle ein Auto, sondern Geld für die Nasenkorrektur. Und auch immer mehr Chinesinnen gehen zum Schönheitschirurgen. In den vergangenen Jahren sind in China Tausende Schönheitskliniken entstanden, die mit vollmundigen Versprechungen die Kundschaft locken. Für 2100 Yuan - rund 550 Mark - kann man oder frau sich in der Pekinger "Jahrtausendwende-Klinik" den Nasenrücken erhöhen lassen.

Der "Internationale Schönheitssalon" wirbt in Zeitungsanzeigen mit angeblich begeisterten Kundenkommentaren für Brustvergrößerungen (ab 200 Mark): "Groß! Groß! Wirklich um 15 Zentimeter größer!" Wem das noch zu teuer ist, kann sich in unzähligen kleinen Straßenkliniken in 45 Minuten die asiatischen Mandelaugen wegoperieren lassen - denn nur große westliche Augen gelten unter Chinas Frauen heutzutage als chic und verführerisch.

Zwei Jahrzehnte ist es her, als alle Chinesen im eintönigen blauen Mao-Anzug durch das Leben laufen mussten. Make-up galt als bürgerlich, gefärbte Haare waren kapitalistisch. Heute zählt Individualität und äußere Schönheit, auch wenn man dafür unters Messer muss. "Der Markt der Schönheitsoperationen boomt", sagt Chefarzt Chen Guozhang. Chen ist Vizepräsident am Krankenhaus für Plastikchirugie der Akademie der Medizinwissenschaften. Mit 80 Ärzten und 328 Betten ist die Klinik nach eigenen Angaben das größte Krankenhaus für Schönheitsoperationen der Welt. "Wir machen hier jedes Jahr 10 000 Operationen", erklärt er stolz. 90 Prozent der Patienten seien Frauen.

Landesweit werden in China jedes Jahr mehr als 100 000 Schönheitsoperationen durchgeführt. Genaue Statistiken gibt es nicht, ebensowenig wie behördliche Kontrollen Gesetze. Wo Wünsche sind, da gibt es in China auch einen Markt. Werbung und Spielfilme vermitteln ein westliches Schönheitsideal. Statt sich die Nasen verkleinern zu lassen, werden sie in China operativ vergrößert. Im südlichen Kanton bieten fadenscheinige Kliniken Operationen zur "Beinverlängerung" an. "Zehn Zentimeter, kein Problem", verspricht ein Herr Zhang vom Gaolemei-Institut, ohne das Verfahren genauer zu erklären. In Shanghai werben Schönheitssalons mit "chemischer Hautaufhellung". Die Chemikalien sind selbst zusammengebraut. Ärzte arbeiten in diesen Straßenkliniken meistens nicht.

Ängste vor möglichen Schäden halten nur wenige vor den der Operation ab. "Seitdem ich 17 Jahre alt war, bin ich mit meinem Gesicht unzufrieden", sagt Xiaoping. Freundinnen von ihr hätten sich operieren lassen, um mit einem hübschen Aussehen eine bessere Arbeit zu finden. "Ich mache das nur für mich selbst."

Mit einer komplizierten Operation wurden ihr durch die Nase und durch den Mund die Wangenknochen zertrümmert und Gewebe abgesaugt. 20 000 Yuan (5200 Mark) - mehr als einen durchschnittlichen Jahreslohn - zahlt sie dafür. Zu einer der billigen Kliniken wollte Xiaoping nicht. "Man hört so viele Geschichten, dass bei den Operationen etwas schief geht".

"Es gibt viele Scharlatane", sagt Chefarzt Chen. Seine Krankenhaus hat einen guten Ruf und kann sich trotz der hohen Preise über das Geschäft nicht klagen. Der alte Staatschef Deng Xiaoping ließ sich vor seinem Tod in der Klinik angeblich die schlaffen Wangen liften. Regierungskader werden hier die Fettposter der Festbankette entfernen. Und manch ein korrupter Staatsdiener oder bankrotter Geschäftsmann aus der Provinz ließ sich von den Chirurgen ein völlig neues Aussehen verpassen.

Doch davon erzählt Chen nicht gerne. Seine liebsten Kunden sind die neue Mittelschichtsfrauen, die sich bei ihm die Augen vergrößern lassen. Dabei wird den Damen chirurgisch eine doppeltes Augenlied wie im Westen hinoperiert. "Routinesache!", sagt Chen. Weil Chinesen heute mehr als nur Reis und Gemüse essen, lassen sich Patienten das Bauchfett absaugen - die Kosten sind geringer als die Mitgliedschaft in einem der exklusiven Fittnessklubs.

Immer beliebter werde auch künstliche Brustvergrößerung. "Wir haben genau die gleiche Technik wie in den USA", berichtet Chen nicht ohne Stolz. Allerdings halte man sich bei der operativen Volumenvergrößerung zurück. Mehr 200 Kubikzentimeter sollen es am Schluss nicht werden - ein Drittel weniger als in den Vereinigten Staaten. Chefarzt Chen unterdrückt ein Lächeln: "Chinesinnen haben ja einen zierlicheren Körperbau als die Damen in den USA".

Harald Maass

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