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Panorama: Prachtbauten vor dem Abriss

Moskau verliert zwei Symbole: Die Hotels Rossija und Mir müssen weg – auf ihren Grundstücken sollen Vergnügungscenter entstehen

Ein festliches Abendessen im Rossija – lange war dies für viele Menschen in Moskau das Größte. Denn ähnlich wie das Mir steht dieses Hotel als Symbol für eine Epoche, mit der noch immer viele Moskauer die besten Jahre ihres Lebens verbinden: Billige Wohnungen, kostenlose Bildung und medizinische Versorgung, zweimal jährlich das staatliche Feiertagspakets im Gewerkschaftskomitee der Arbeitsstelle mit Salami, Sekt, Kaviar und einem Fläschchen Westparfüm – vorausgesetzt, man hatte die Verkäuferin vorher mit Pralinen oder Konzertkarten umworben.

Der weiße Prachtbau mit Blick auf den fünf Gehminuten entfernten Kreml und den Fluß Moskwa wurde Anfang der 70er eröffnet und ging damals als weltgrößtes Hotel in das Guinness-Buch der Rekorde ein. 1979 machte es ein weiteres Mal Schlagzeilen: Bei einem Brand gab es zahlreiche Todesopfer, darunter auch mehrere Deutsche. Mit seinen 5000 Gästebetten gehört das Rossija noch immer zu den Giganten der Hotelbranche in Europa.

Doch bald wird das Hotel von der Bildfläche verschwinden, denn reiche Anleger in Moskau suchen nach Möglichkeiten, ihr Geld zu investieren – vorzugsweise in neue Immobilien. Deshalb wird das Rossija jetzt abgerissen – zusammen mit dem Mir und den wenigen anderen Mittelkassehotels, die Russlands Hauptstadt durchschnittlich betuchten Touristen noch zu bieten hat. Stattdessen sollen dort bald teure Vergnügungscenter mit Hotels, Restaurants, Boutiquen und Fitnessstudios entstehen.

Kritiker sagen, diese Eingriffe ins historische Stadtbild könnten Moskaus Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012 zum Scheitern bringen. Für Oberbürgermeister Jurij Luschkow ist die Bewerbung für die Spiele eine Frage von Sein oder Nichtsein, dennoch kam schon vor drei Jahren das Hotel Intourist auf der Flaniermeile Twerskaja unter den Vorschlagammer. Im letzten Jahr wurde das Moskwa schräg gegenüber abgerissen – auch ein riesiger Prunkbau aus den späten 30er Jahren mit ungefähr tausend Zimmern und zum großen Teil einzigartiger Innenarchitektur.

Letzte Woche verfügte die Stadtregierung den Abbruch des Rossija. Anfang dieser Woche besiegelte ein Erlass des Oberbürgermeisters dann auch noch das Schicksal des 1968 eröffneten Mir auf dem Neuen Arbat. In seinen 237 Zimmern wohnten vor allem Dienstreisende aus dem Ostblock, die in der angrenzenden Zentrale des Comecon, des kommunistischen Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, arbeiteten.

Weitere fünf Mittelklassehotels aus sozialistischen Zeiten – auch sie teilweise denkmalsgeschützt – sollen folgen.

In Moskau sei enorm viel Geld aus zwielichten Quellen im Umlauf, sagte ein Insider der Moscow Times, und dieses Geld müsste schließlich irgendwo und irgendwie platziert werden. Vorzugsweise im Zentrum, wo ein Quadratmeter Baugrund bis zu 10 000 Dollar kostet. Anstelle des Mir soll dort ein 45-stöckiger Handels- und Hotelkomplex entstehen. Darin integriert werden soll ein Gebäude mit einer Fläche von 125 000 Quadratmetern, das einem aufgeklappten Buch nachempfunden wurde. Dorthin wird unter anderem die Zentrale des Comecon umziehen. Ähnlich gigantische Vorstellungen gibt es für die Nutzung des Rossija-Grundstücks nach dem Abriss.

Geldwaschanlagen dieser Art, warnte Andrej Klimenko vom russischen Künstlerverband bereits in der Moscow Times, könnten dazu führen, dass eine Scheußlichkeit nur die andere ersetze. Möglichkeiten zum Eingreifen sieht er nicht: „Wir werden zwar versuchen, das Geschehen im Auge zu behalten, sind aber weitgehend machtlos“, sagte er der Zeitung.

Klimenko äußerte sich auch zur Rolle des Oberbürgermeisters. „Die Entscheidungen fällen Geld und Beamte und denen sind Kunst und guter Geschmack völlig schnuppe. Der eigentliche Chefarchitekt Moskaus heißt Jurij Luschkow.“

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