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Produktivität: Schlummern für den Chef

Was einst ein Kündigungsgrund gewesen wäre, entwickelt sich in den USA zum verantwortungsvollen Vorgehen eines produktiven Mitarbeiters: Schlafpausen bei der Arbeit kommen bei US-Firmen in Mode.

Washington - Schicht- und Schwerarbeiter gehören zu den ersten, die durch halbstündigen Schlummer ihre Arbeitskraft wiederherstellen und damit auch die Unfallgefahr erheblich reduzieren. Doch Studien zeigen, dass jeder Mensch von kleinen Nickerchen im Tageslauf profitiert. Genauso wie diejenigen Firmen, die jetzt mit Spezialsesseln, Kopfhörern und Kabinen auf den Siesta-Markt drängen.

Bei der Metallfirma Yarde Metals im nordöstlichen Bundesstaat Connecticut gehören Schlafpausen längst zum Alltag. Rund um die Uhr wird in dem Betrieb gearbeitet, viele Arbeiter bedienen schwere Geräte wie Gabelstapler. Doch neben den Werkstätten hat Yarde Metals nicht nur einen Pausenraum mit Kaffeemaschine und Imbissautomat, sondern eine voll eingerichtete "Gelassenheits-Suite". Blau getünchte Wände und ein speziell geformter Sessel sollen den Eindruck der Schwerelosigkeit erwecken. "Das ist das Nickerchen auf höchstem Niveau", sagt Firmensprecherin Susan Kozikowski, "totales Stress-Management". Zwanzig Minuten in dem "Z-Sessel" seien wie vier Stunden Schlaf.

Höhere Produktivität, niedrigeres Herzinfarktrisiko

Vor allem die Arbeiter der Nachtschicht hätten solche Pausen dringend nötig, sagt Kozikowski. Doch nicht nur Schichtdienstler können von Schlummerpausen profitieren: Eine Langzeitstudie an griechischen Männern und Frauen, die im Februar in der Fachzeitschrift "Archives of Internal Medicine" erschien, kann ein gewohnheitsmäßiger Mittagsschlaf von 30 Minuten das Herzinfarktrisiko drastisch senken. Schade, dass solche Pausen in der hektischen US-Arbeitskultur noch nicht akzeptiert seien, bedauert der Psychiatrie-Professor Peter Vitaliano von der Universität Washington. "In Mittelmeerländern ist das völlig normal. Bei uns wird Leuten, die mittags schlafen, gesagt: Du faules Stück."

"Hier in den USA verstehen die Leute den Sinn einer guten Siesta noch nicht so selbstverständlich wie die Menschen in europäischen oder südländischen Ländern", sagt Iarl Grant, Mitarbeiter der in New York ansässigen niederländischen Werbeagentur Strawberryfrog. Angestellte hätten locker das Recht auf zehn Minuten Zigarettenpause, nicht aber auf zehn Minuten Schlaf. Doch die offensichtlichen Vorzüge der Schlummerpausen für Produktivität und Zuverlässigkeit dringen auch US-Firmen langsam aber sicher ins Bewusstsein. Und so ist vor allem der sicherheitsabhängige Transportsektor, der das Konzept übernimmt: Eisenbahnen, Frachtunternehmen, Fluglinien.

30 Minuten Ruhe für 14 Dollar

Auch bei Strawberryfrog wird dienstlich geschlafen. Die Firma hat eine Schlafkabine mit Kopfhörern. "Das ist wirklich eine wertvolle Einrichtung, es gehört schnell zum normalen Tagesablauf dazu", sagt Grant. Die Kabine ist ein Produkt der Firma MetroNaps und wurde eigens für Arbeitsstätten entwickelt. "Es hält Licht und Lärm ab, so dass genügend Ruhe für eine Pause möglich ist", sagt Firmengründer Arshad Chowdhury. "Vor allem ist die Kabine so gebaut, dass man dort in würdevoller Position ruhen kann - wer will schon auf der Arbeit in der fötalen Stellung gesehen werden?"

Im New Yorker Empire State Building können Chowdhurys Kabinen für 14 Dollar pro halber Stunde gemietet werden. "Ihre Jacke zerknittert nicht, die Haare werden nicht verwuschelt - Sie können aufstehen und direkt wieder an die Arbeit gehen." Selbst verschlafen sei nicht möglich, da Vibrationen und Licht nach 30 Minuten das Ende der Pause signalisieren. Einige Grundregeln müssen die Nutzer natürlich auch befolgen. Eine davon laut Chowdhury: "Es gibt immer nur einen Schläfer pro Kabine." (Von Virginie Montet)

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