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Prora-Komplex: Monument eines langen Streits

Die Reaktionen auf die Versteigerung von Block 1 sind verhalten. Die Chance, für den Nazikomplex von Prora ein Gesamtkonzept zu finden, ist endgültig vertan. Die einzelnen Blöcke werden separat genutzt.

Susanna Misgajski von der Informations- und Bildungsstätte Prora-Zentrum ist skeptisch: „Ich hoffe, dass gekauft wurde, um endlich etwas zu sanieren.“ Kein Verständnis hätte sie für einen Spekulanten, der darauf setzt, dass die maroden Gebäude irgendwann doch abgerissen werden dürfen. Denn vor den sechsstöckig graubeige verputzten Fassaden liegt der weiße Strand. Nachdem am Sonnabend Block 1 des riesigen alten Nazikomplexes in Prora an einen Berliner Investor versteigert worden war, sind die Reaktionen verhalten, was die Zukunft des knapp fünf Kilometer langen Komplexes gleich hinterm Ostseestrand angeht. Für 2,75 Millionen Euro hatte der anonyme Telefonbieter den Zuschlag erhalten.

Historiker hatten befürchtet, dass sich bei einer solchen Privatauktion Rechtsextreme einkaufen könnten.

Susanna Misgajski erwartet von dem Investor, dass der „historische Ort“ in seiner Monumentalität erhalten und vor allem für jedermann zugänglich bleibt. Dies durch eine „Stiftung Prora“ zu ermöglichen, wie sie einmal im Gespräch war, sei „unrealistisch“ gewesen, gibt sie zu.

„Um über ein geschlossenes Konzept für Prora zu diskutieren, ist es inzwischen wohl zu spät“, sagt auch Burkhard Lenz, CDU-Landtagsabgeordneter von der Insel Rügen. Er hofft, dass die Käufer der einzelnen Blöcke sich untereinander absprechen und dem „Koloss von Rügen“ zu einem einheitlichen äußeren Bild verhelfen. „Noch fehlt es an Infrastruktur um das Gebäude herum, aber auch an kulturellen Einrichtungen“, sagt Lenz. Bestenfalls kann daraus aber „ein interessantes Konzept“ werden, schlimmstenfalls allerdings auch „Chaos“.

Seit Anfang der 1990er Jahre rangen Einheimische und Zugezogene, Umwelt- und Denkmalschützer sowie die Hoteliers um die künftige Nutzung des „Kolosses von Rügen“. Rund eine Million D-Mark ließ sich der Bund als damaliger Eigentümer 1997 ein Gutachten kosten, das nach monatelangen moderierten Gesprächen mit allen Betroffenen die widerstreitenden Interessen unter einen Hut bringen sollte. Die Denkmalschützer wollten die Monumentalität der Blöcke nicht aufgehübscht sehen. Die Umweltschützer fürchteten zu viel Verkehr durch zu viele Gäste auf der Insel, falls Prora doch noch zu dem wird, wozu die Nazis es bauten: zur Bettenburg. Die Hoteliers auf der Insel fürchteten zusätzliche Konkurrenz. Und der Bund fürchtete, auf einer teuren denkmalgeschützten Ruine sitzen zu bleiben.

Die Gutachter schlugen damals eine Mischnutzung vor, an der sich die Gemeinde Binz, zu der Prora gehört, auch heute noch im Groben orientiert. Maximal 3700 Gästebetten, Gewerbebetriebe, Sportanlagen und Eigentumswohnungen sollten in Prora Platz finden. Fünfzehn Jahre später ist der Bund Prora Block für Block losgeworden. Auch Ulrich Busch, Enkel von Ernst Busch, erwarb zwei Blöcke. Eine Inselbogen-GmbH kaufte Block III. Von ihrem geplanten Sporthotel ist jedoch nichts zu ahnen.

Verändert hat sich jedoch bislang nur das nördliche Ende der Anlage. Vor einem Jahr eröffnete in Block V Deutschlands größte Jugendherberge mit rund 500 Betten. Der Landkreis Rügen hatte das Gebäude erworben und mit vielen Fördergeldern von der EU und vom Bund für 16,5 Millionen Euro saniert. Auch wenn jetzt modernste Wärmedämmung hinter der Fassade steckt, die Zimmer hell und freundlich wirken, so war das doch deutlich mehr, als die Planer erwartet hatten. Herbergsleiter Dennis Prosseit zeigte einem NDR-Kamerateam zudem, worauf sich alle Investoren einlassen. Von „1000-jährigem“ unverwüstlichem Stahlbeton könne keine Rede sein. An allen Ecken und Kanten bröselt der Putz, rosteten die Stahlträger in den seit Jahren leer stehenden Gebäuden.

Der Käufer, der jetzt Block I ersteigert hat, darf Ferien-, Eigentumswohnungen und ein Hotel errichten. So sieht es der Bebauungsplan der Gemeinde vor. Auch den Anbau von Balkonen hat das Bauamt genehmigt. Dagegen allerdings laufen Denkmalschützer seit Jahren Sturm. Unterdessen steigerte der Vorbesitzer den Wert des Grundstücks, indem er illegal den Fichtenhain vor Block I rodete – und so den Blick auf die Ostsee frei machte. Die mangelnde Aussicht mag bislang der Grund dafür gewesen sein, dass sich kaum ein Interessent für die vielen projektierten Eigentumswohnungen gefunden hatte.

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