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Prora-Versteigerung: Berliner Investor kauft Nazi-Komplex auf Rügen

Der Block 1 des ehemaligen Nazi-Gebäudekomplexes Prora auf Rügen wurde am Sonnabend für 2,75 Millionen Euro ersteigert. Auf dem Areal könnten jetzt Eigentums- und Ferienwohnungen entstehen - sehr zum Ärger einiger Historiker und Architekten.

Ein Berliner Investor hat den leer stehenden Block 1 des ehemaligen Nazi-Gebäudekomplexes Prora auf Rügen für 2,75 Millionen Euro ersteigert. Dieser habe sein Gebot per Telefon abgegeben, sagte Auktionator Mark Karhausen am Samstag. Die anderen Interessenten hätten aufgrund der hohen Summe kein Gebot abgegeben. Der erfolgreiche Bieter habe sich bereits vor der Auktion gründlich über die Anlage informiert. „Er kennt alle Planungsunterlagen“, sagte Karhausen. „Er wusste genau, was er kriegt.“ Der Käufer habe Erfahrungen im Bereich der Grundstücksentwicklung.

Das Mindestgebot für das 450 Meter lange, marode Gebäude, in dem sich zu DDR-Zeiten das NVA-Ferienheim „Walter Ulbricht“ befand, hatte bei 798 000 Euro gelegen. Dieser Betrag lag bereits knapp über dem Dreifachen des Verkaufspreises, den der Bund bei der Privatisierung 2006 erzielt hatte. Laut Bebauungsplan darf der neue Besitzer in dem Gebäudekomplex Eigentums- und Ferienwohnungen und ein Hotel errichten. Das Grundstück ist 21,6 Hektar groß.

Dem Leiter des Dokumentationszentrums Prora, Jürgen Rostock, kommt bei den Verkäufen „die kulturell-historische Dimension“ zu kurz. „Prora verkommt zu einem Spekulationsobjekt“, sagte Rostock. Jetzt gehe es nur darum, möglichst effizient viele Ferienwohnungen und Hotelbetten zu errichten oder das Objekt gewinnbringend weiterzuverkaufen. „Der Bund hat sich billig aus der Verantwortung gezogen. Das ist skandalös“, kritisierte auch Michael Bräuer, Vizedirektor der Abteilung Baukunst an der Akademie der Künste, das Verkaufskonzept.

Historiker hatten befürchtet, dass sich bei der Privatauktion Rechtsextreme, notfalls durch Strohmänner, in die geschichtsträchtige Immobilie einkaufen könnten. Nach Angaben der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben muss der Besitzer deshalb auch im neuen Kaufvertrag erklären, weder der rechtsextremen Szene anzugehören, noch für diese den Kauf zu tätigen.

Neben dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg ist Prora das größte erhaltene Gebäude aus der Zeit des Nationalsozialismus. 1936 legte die Nazi-Organisation „Kraft durch Freude“ an der Bucht zwischen Sassnitz und Binz den Grundstein für einen der prestigeträchtigsten Bauten des Dritten Reiches. Im geplanten „KdF-Bad der 20 000“, an einem der schönsten Strände Deutschlands, sollten Volksgenossen „zur Stärkung des mentalen Zustands“ billig urlauben können.

Drei Jahre lang wurde an der riesigen, viereinhalb Kilometer langen Ferienanlage gebaut. Auch im Hinblick auf Prora wurde Rügen 1936 durch eine Brücke und eine Eisenbahnstrecke mit dem Festland verbunden. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden die Bauarbeiten gestoppt – nur sieben der geplanten acht Betonblocks waren zu diesem Zeitpunkt vollendet. Während des Krieges war dort ein Lazarett untergebracht, später eine Flüchtlingsunterkunft.

Zu DDR-Zeiten diente der Bau der Nationalen Volksarmee als Kaserne und Ferienheim für Offiziere. Ab 1956 waren dort bis zu 10 000 Soldaten kaserniert, darunter Elitesoldaten des DDR-Fallschirmjägerbataillons. In den 1980er Jahren mussten in Prora junge Männer, die den Dienst an der Waffe verweigert hatten, als Bausoldaten schuften. Nach der Wende wurde die marode Anlage als Denkmal geschützt, seitdem steht sie größtenteils leer. Zwei Museen dokumentieren hier die Geschichte Proras, jedes Jahr kommen mehr als 100 000 Besucher.

2004 begann der Bund, die Gebäude zu veräußern. Der Berliner Immobilienmakler Ulrich Busch, Sohn des Schauspielers Ernst Busch, kaufte dem Bund 2006 zwei der fünf Blöcke für 455 000 Euro ab. Busch plante mit dem Investor Johann Christian Haas ein Vier-Sterne-Hotel mit 300 Betten und 400 Wohnungen. 100 Millionen wollten sie investieren, 2011 sollten die Arbeiten losgehen. Passiert ist nichts. Erst verkaufte Busch Block 1 an Haas, dann verlor auch dieser die Lust an dem vermoderten Riesenbau. „Aus persönlichen Gründen“ habe er sich von dem Objekt getrennt, teilte Haas vor der Auktion mit. mit dpa/dapd

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