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Frieda Meyer kämpft gegen die Schließung der Galopprennbahn.

© Arne Bensiek

Protest gegen neue DFB-Zentrale: Frankfurter wollen Rennpferde statt Fußballer

Der Deutsche Fußball-Bund will in Frankfurt seine neue Zentrale und eine Akademie errichten. Dafür soll eine Galopprennbahn weichen – doch ein Bürgerentscheid könnte genau das verhindern.

Wenn Frieda Meyer hoch oben im Richterturm der Frankfurter Galopprennbahn steht, hat sie den schönsten Blick auf das, was es bald nicht mehr geben soll. Sattgrün und weit erstreckt sich das Geläuf zu ihren Füßen. Es scheint, als reiche das Rasenoval der Rennbahn bis an die Silhouette der fernen Bankentürme. Unten treibt eine Reiterin zum Training ihr dreijähriges englisches Vollblut über die Sandbahn, dass es staubt. „Seit 1863 sind wir Reiter hier“, sagt Frieda Meyer. „Die Galopprennbahn mit ihrer Vergangenheit ist ein Kulturgut der Stadt.“

Ob die Rennpferde in Frankfurt auch eine Zukunft haben, liegt unter anderem in den Händen der 25-jährigen Eventmanagerin. Meyer arbeitet für die Kampagne zum Erhalt der Galopprennbahn, die nach dem Willen der Stadt Frankfurt am Jahresende verschwinden soll. Platz machen sollen die Reiter der neuen Akademie des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), ein 89 Millionen Euro teures Ausbildungszentrum. Das hat die Stadtverordnetenversammlung mit großer Mehrheit entschieden. Der größte Erfolg von Frieda Meyer und ihren Mitstreitern ist, dass die Frankfurter am kommenden Sonntag der Stadt und dem DFB in einem Bürgerentscheid noch einen Strich durch die Rechnung machen könnten. 13 000 Unterschriften hat die Bürgerinitiative Pro-Rennbahn dafür gesammelt.

Für den schwarz-grünen Magistrat im Rathaus am Römerberg ist die bevorstehende Abstimmung ein wahres PR-Debakel. Die Zeiten, in denen die deutsche Fußballnationalmannschaft ihre Titel auf dem Frankfurter Römer feierte, sind wohl für alle Zeiten vorbei. Das Ziel der Stadtoberen ist es daher, zumindest den DFB langfristig an Frankfurt zu binden oder „das Zuhause des Weltmeisters zu bleiben“, wie Sportdezernent Markus Frank (CDU) gerne sagt. An sich ist das in Frankfurt ein mehrheitsfähiger Wunsch. Wären nicht Stück für Stück die unverschämt günstigen Konditionen des von Frankfurter Verlustangst getriebenen Deals bekannt geworden – und der Schachzug, mit dem die Stadt dem Pächter der Galopprennbahn das stadtnahe Filetgrundstück abgeluchst hat.

84 Millionen Euro schenke die Stadt einem der reichsten Sportverbände der Welt, ist auf tausenden Plakaten zu lesen, die Frieda Meyer und ihr Team in den Straßen Frankfurts aufgehängt haben. Die Wertvernichtung der Rennbahn, die Kosten für den Abriss, die Abfindung der Pächter und die Subventionen für den DFB sind da aufgelistet. Über die Stichhaltigkeit der Zahlen lässt sich streiten. Die verbrieften 6,8 Millionen Euro, die der DFB für 15 Hektar als Erbpacht auf 99 Jahre zahlt, halten dagegen die meisten Frankfurter für ein Geschenk.

Fußball, Verwaltung, viel Grün: So könnte die neue DFB-Zentrale samt Akademie aussehen.
Fußball, Verwaltung, viel Grün: So könnte die neue DFB-Zentrale samt Akademie aussehen.

© promo

Stadt und DFB haben reagiert und ebenfalls Plakate aufhängen lassen: „In der Welt gefeiert, in Frankfurt zu Hause“, steht über jubelnden Nationalspielern mit WM-Pokal. Mit seiner Akademie will der DFB ein nationales Ausbildungszentrum für alle deutschen Auswahlmannschaften – von der U16 bis hoch zu Jogis Jungs – errichten. Der Entwurf dafür stammt von „kadawittfeldarchitektur“ aus Aachen. Die Akademie, ein Sportboulevard, eine große Trainingshalle und die DFB-Zentrale sollen unter einem großen, verbindenden Dach liegen, umgeben von vier Fußballfeldern – genau da, wo heute die Galopprennbahn steht. 2017 sollen die Bauarbeiten beginnen, Anfang 2019 will der DFB einziehen.

"Wir haben das Recht, hart zu verhandeln"

Auf die günstige Erbpacht angesprochen erwidert DFB-Genralsekretär Helmut Sandrock: „Wir haben das Recht, hart zu verhandeln, das haben wir getan.“ Mehr als 20 Standorte hat die Stadt dem DFB angeboten. Sandrock sagt, der DFB habe alle Vorschläge geprüft, nur das Grundstück der Galopprennbahn habe letztlich alle Anforderungen erfüllt.

Aus den städtischen Akten der Standortsuche geht etwas anderes hervor: Unter den drei bevorzugten Grundstücken, die der DFB der Stadt im November 2013 mitteilt, taucht die Galopprennbahn gar nicht auf. Bis sich Vertreter der Stadt irgendwann bei Manfred Hellwig melden, dem nicht mehr ganz jungen Pächter der Galopprennbahn. Dem Steuerberater, Gestütsbesitzer, Mäzen des Frankfurter Galopprennsports und einstigen Präsidenten des Rennklubs reden sie ins Gewissen. „Ich wurde gefragt, wer das Überleben der Rennbahn sichere, wenn ich es irgendwann nicht mehr kann“, berichtet Hellwig. Mehr als vier Millionen Euro Privatvermögen habe er in die Rennbahn gesteckt. „Mir erschien es attraktiv, dass die Stadt Frankfurt Verantwortung übernehmen wollte“, sagt Hellwig. Also verkaufte er, der es finanziell nicht nötig gehabt hätte, im März 2014 der Stadt 51 Prozent seiner Hippodrom GmbH, die über den Pachtvertrag der Galopprennbahn mit der Stadt verfügt. „Das war eine große Täuschung“, sagt Hellwig heute.

Denn an ein Überleben der traditionsreichen, aber notorisch zuschussbedürftigen Rennbahn war dem Magistrat gar nicht gelegen. Stattdessen wurde durch den Mehrheitsankauf an der Hippodrom GmbH der Weg frei für ein passendes Hochzeitsgeschenk an den DFB. Stimmen am kommenden Sonntag weniger als 125 000 Frankfurter für den Erhalt der Rennbahn, steht der Vermählung von Frankfurt und DFB nichts mehr im Weg.

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