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Prozess: Bad Reichenhall

Im Prozess um den Einsturz der Eissporthalle von Bad Reichenhall hat ein Hinterbliebener schwere Vorwürfe erhoben. Danach sollten Angehörige von Opfern aufgrund einer vertraulichen Vereinbarung ihre Strafanzeigen gegen die Stadtspitze zurückziehen.

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Prozesse/Kriminalität/ (Zusammenfassung 1615 - neu: Erklärung von Angehörigen) Prozess um Eishalleneinsturz - «Geheime Vereinbarung» mit Opfern =

Traunstein (dpa) - Im Prozess um den Einsturz der Eissporthalle von Bad Reichenhall hat ein Hinterbliebener schwere Vorwürfe erhoben. Danach sollten Angehörige von Opfern aufgrund einer vertraulichen Vereinbarung ihre Strafanzeigen gegen die Stadtspitze zurückziehen, sagte der Anwalt des heute 44 Jahre alten Familienvaters, Michael Thilo, am Dienstag. Er sprach von einer «geheimen Vereinbarung». Sein Mandant hatte bei der Katastrophe am 2. Januar 2006 seine 38 Jahre alte Ehefrau verloren und lebt heute allein mit seiner Tochter, die das Unglück überlebte. Im Gericht war bei Prozessbeobachtern mehrfach von «Schweigegeld» die Rede, das einem Teil der Hinterbliebenen gezahlt worden sei.

Der Familienvater vertritt als Nebenkläger seine Tochter. Beim Einsturz der Halle waren 15 überwiegend junge Menschen ums Leben gekommen. Wegen fahrlässiger Tötung sind am Landgericht Traunstein drei Ingenieure und Architekten im Alter zwischen 55 und 67 Jahren angeklagt.

Weiter berichtete Thilo der 2. Strafkammer, dass der «Opferjurist» mit dem Angebot an seinen Mandanten herangetreten sei, besonders hohen Schadenersatz bei der Versicherung der Stadt für ihn auszuhandeln. Er beantragte, den «Opferjuristen», der selbst vor Gericht bisher nicht in Erscheinung getreten ist, als Zeugen zu vernehmen. Der Mann habe sich gerühmt, für andere Hinterbliebene bereits «Weltrekordsummen ausgehandelt zu haben», sagte Thilo. Als Bedingung habe der Jurist aber verlangt, dass der Witwer seine Strafanzeigen unter anderem gegen den damaligen Reichenhaller Oberbürgermeister Wolfgang Heitmeier zurückziehe. Dazu kam es jedoch nicht.

In einer von ihm verlesenen schriftlichen Erklärung erhob der 44- Jährige schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft. Er sprach vom «Ungeist der mittlerweile so populär gewordenen Schuldabwälzungsstrategie von Staatsanwaltschaft und Stadt Bad Reichenhall». Der Anklagebehörde warf der Witwer eine «unsägliche Strategie» vor. «Mit aller Justizgewalt wurden die wahren Verantwortlichen der Eishallen-Katastrophe von der Anklagebank ferngehalten». Zu Beginn des Prozesses Anfang Januar hatten die Verteidiger der drei Angeklagten den Vorwurf erhoben, es seien die Falschen angeklagt worden. Vielmehr müssten die Verantwortlichen der Stadt vor Gericht stehen.

In einer Erklärung wiesen die mit den Vorwürfen konfrontierten Nebenkläger die Anschuldigungen zurück. Es gebe «keine vertrauliche Vereinbarung im Sinne eines Deals mit der Stadt Bad Reichenhall dahingehend, dass irgendwelche städtischen Mitarbeiter geschont werden», heißt es in dem vor Gericht verlesenen Papier.

Wie schon am vierten Verhandlungstag schilderten auch am Dienstag Eltern die Geschehnisse in der Eissporthalle nach dem Unglück. Eine Mutter, die ihren Sohn Christian (12) verlor, sagte unter Tränen, sie haben nach dem Halleneinsturz «zu schreien begonnen». «Der einzige Gedanke waren meine Kinder.» Eine andere Mutter, deren beide Töchter Christina (11) und Marina (8) in den Trümmern starben, berichtete von einer «wahnsinnigen Druckwelle» beim Einsturz des Hallendaches. «Jetzt werden alle erschlagen», sei ihr durch den Kopf geschossen. Über den Anblick ihrer toten Kinder sagte sie: «Das Bild hat man immer vor Augen.» Der Prozess wird am 3. April fortgesetzt.

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