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Prozess: Ehrenmord-Zeugin: Morsals Bruder war ihr Vorbild

Sie fürchtete und sie liebte ihn: Der wegen Mordes an seiner jüngeren Schwester Morsal angeklagte Deutsch-Afghane war nach einer Zeugenaussage ein Vorbild für die 16-Jährige.

Vor dem Landgericht Hamburg hat am Montag der fünfte Verhandlungstag im Prozess um den so genannten Ehrenmord an der 16 Jahre alten Deutsch-Afghanin Morsal begonnen. Nach Aussage einer Mitarbeiterin des Jugendamts soll das getötete Mädchen ihren Bruder sehr gemocht haben. "Sie fürchtete sich vor ihm - und sie liebte ihn. Er war ihr Vorbild", berichtete die 55-Jährige über Gespräche mit Morsal. Die 16-Jährige habe sich zugleich darüber beschwert, dass Bruder und Eltern sie kontrollieren würden. "Sie hat gesagt, dass sie mehr Freiheit haben wollte."

In dem Prozess muss sich der 24-jährige Bruder von Morsal wegen eines sogenannten Ehrenmordes verantworten. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft soll er seine Schwester am 15. Mai vergangenen Jahres auf einem Parkplatz in Hamburg-St. Georg in eine Falle gelockt und heimtückisch erstochen haben, weil er ihren Lebensstil ablehnte. Das Verbrechen sorgte bundesweit für Entsetzen. Nach Meinung seiner Anwälte handelte der Angeklagte ungeplant und war eventuell vermindert schuldfähig. Er war am Tag nach der Tat festgenommen worden und befindet sich seither in Untersuchungshaft. Vor Gericht schwieg er bislang. Er hatte die tödliche Attacke aber zuvor bei der Polizei gestanden.

Auch von anderen Verwandten misshandelt

Laut Anklage soll der 24-Jährige Morsal schon vor ihrem Tod mehrmals geschlagen und getreten haben. Er ist deshalb auch wegen Bedrohung und Körperverletzung angeklagt. Eine Mitarbeiterin des Mädchenhauses, in dem Morsal zeitweise unterkam, berichtete am Montag vor Gericht ebenfalls, Morsal habe Angst vor ihrem Bruder gehabt. Sie habe geglaubt, dieser solle sie im Auftrag der Eltern "erziehen". Zudem sei sie auch von anderen Verwandten misshandelt worden, berichtete die Sozialpädagogin: "Letzten Endes fühlte sie sich den Familienmitgliedern ausgeliefert." Auch Morsals Vater ist inzwischen in einem separaten Verfahren wegen Misshandlung angeklagt.

Die Jugendliche selbst hatte sich in der Vergangenheit mehrfach an das Jugendamt gewandt und um Hilfe gebeten. Sie war teilweise in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht worden, auf eigenen Wunsch aber immer wieder zu ihrer Familie zurückgekehrt. Nach ihrem Tod waren die Behörden deshalb scharf kritisiert worden. Sie hätten die Gefahr für das Mädchen unterschätzt, hieß es.

Der Prozess wird am 19. Januar fortgesetzt. Das Urteil soll Anfang Februar verkündet werden. (sgo/dpa)

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