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Dominique Strauss-Kahn.

© AFP

Prozess Ex-IWF-Chef: Die nackte Wahrheit des Dominique Strauss-Kahn

Dominique Strauss-Kahn steht von diesem Montag an in Frankreich wegen Zuhälterei vor Gericht. Dabei geht es darum, ob er wusste, dass die Frauen auf seinen Sex-Partys Prostituierte waren. Frankreich debattiert über Sexualmoral.

Wusste Dominique Strauss-Kahn, dass die Frauen mit denen er sich auf Sex-Partys vergnügte, Prostituierte waren? Das ist die entscheidende Frage, um die es in dem heute in der nordfranzösischen Stadt Lille beginnenden Mammutprozess wegen gemeinschaftlich begangener schwerer Zuhälterei gegen den früheren Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) geht. Im Fall einer Verurteilung drohen DSK, wie der 2011 über eine Sex-Affäre mit dem Zimmermädchen eines New Yorker Hotels gestürzte einstige Hoffnungsträger der Sozialistischen Partei in Frankreich kurz genannt wird, bis zu zehn Jahre Gefängnis und 1,5 Millionen Euro Geldstrafe.

Neben ihm sind 13 weitere Personen angeklagt, unter ihnen ein Hotelmanager, zwei Unternehmer, ein Anwalt und ein ehemaliger Polizeikommissar sowie ein belgischer Bordellbetreiber, genannt „Dodo der Salzhering“. Sieben Prostituierte sind als Zeugen geladen. 300 Journalisten haben sich zu dem Prozess angemeldet.

Dass Strauss-Kahn, der als IWF-Direktor mit den Großen der Welt verkehrte, nach seinen aufreibenden Dienstgeschäften Entspannung in so zwielichtiger Umgebung suchte, war nach seinem New Yorker Fall, der von der Justiz wegen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin nie aufgeklärt wurde, beliebtes Gesprächsthema in Paris. Die einen hatten von seinen Besuchen in einschlägigen Klubs gehört, andere wussten von Übergriffen zu erzählen. Eine junge Schriftstellerin reichte Klage wegen versuchter Vergewaltigung ein, die aber wegen Verjährung nicht mehr verfolgt wurde. Nun verheißt der Prozess in Lille neue Details aus dem Sexualleben, des Mannes, der 2012 beste Chancen hatte, zu Frankreichs Staatspräsident gewählt zu werden.

"Wie wollen Sie nackten Frauen ansehen, dass sie Prostituierte sind?"

In der Anklageschrift geht es um 17 Sex-Partys, die die mitangeklagten Freunde zwischen 2007 und 2011 in Lille, Paris, Washington und New York für Strauss-Kahn organisierten und bezahlten. Etwa 100 000 Euro sollen sie dafür aufgewendet haben. Eine der Frauen gab in der Untersuchung zu Protokoll, Strauss-Kahn sei der „König der Feste“ gewesen. Eine andere beschrieb den Ablauf dieser Feste als „Schlachten“. Wieder eine andere sagte aus, als „Escort-Girl“ sei sie zwar den Umgang mit kultivierten Männern gewöhnt, Strauss-Kahns brutales Verhalten hätte aber mit „Libertinage“ nichts zu tun.

„Libertinage“, das ist der Begriff, auf den die Verteidigung setzt, um Strauss-Kahn vor Gericht herauszuhauen. Indem die Verteidigung offensiv auf diesen Begriff setzt, macht sie indirekt auch die französische Sexualmoral zum Gegenstand des Prozesses. In der Tat wird in der französischen Öffentlichkeit anlässlich des Prozesses über die Entwicklung der Sexualmoral in der Nachkriegszeit debattiert und deren Pervertierung durch das mutmaßlich besitzergreifende Verhalten, das DSK gegenüber Frauen an den Tag legt.

Auf freizügiges Verhalten unter einvernehmlich handelnden Erwachsenen, was ja wohl nicht strafbar sei, hatte sich Strauss-Kahn gegenüber den Untersuchungsrichtern berufen. Dass es sich bei den Gespielinnen um Prostituierte gehandelt hatte, habe er gar nicht wissen können. „Wie wollen Sie denn nackten Frauen ansehen, dass sie Prostituierte sind?“, hielt er den Untersuchungsrichtern entgegen.

Angesichts der Schwierigkeit, Strauss-Kahn nachzuweisen, dass er doch wusste, mit wem er sich vergnügte, hatte die Staatsanwaltschaft dann auch auf Einstellung des Verfahrens plädiert. Die beiden Untersuchungsrichter setzten dann aber doch die Anklageerhebung durch.

Wer eine Wohnung zur Verfügung stellt, macht sich strafbar

Sie stützen sich auf zwei Aspekte der im französischen Strafrecht enthaltenen Definition der Zuhälterei. Als Zuhälter gilt demnach nicht nur der Lude, der seine Frauen auf den Strich schickt und sie dann abkassiert, sondern auch derjenige, der einer Prostituierten ein Zimmer zur Verfügung stellt, auch wenn er dafür kein Geld nimmt. Im Fall Straus-Kahns halten die Untersuchungsrichter diesen Tatbestand für gegeben, da einige der für ihn organisierten Orgien in einer von ihm gemieteten Wohnung in Paris stattfanden.

Strafbar macht sich aber auch derjenige, der von der Prostitution profitiert, auch wenn es andere sind, die für sein Vergnügen bezahlen.

Die Frage, die das Gericht damit am Schluss beantworten muss, lautet: Wusste Strauss-Kahn, dass er es mit Prostituierten zu tun hatte?

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