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Roberto Iacopos Anwalt Fabrizio Gallo vor dem Gerichtsgebäude in Rom.

© dpa

Prozess gegen "Mafia Capitale" in Rom: Organisierte Kriminalität oder nur ortsübliche Korruption?

In Rom hat der Prozess gegen die „Mafia Capitale“ begonnen. Auf der Anklagebank sitzen auch Kommunalpolitiker. Worum es dabei geht.

Am Anfang stand eine gute Idee. Salvatore Buzzi hatte sie ausgearbeitet, in den achtziger Jahren, während er in Rom wegen Mordes im Gefängnis saß. Buzzi wollte entlassenen Häftlingen einen Arbeitsplatz verschaffen und sie dadurch wieder in die Gesellschaft eingliedern. Beklatscht von allen Seiten und begnadigt vom Staatspräsidenten tat Buzzi das dann auch. Seit diesem Donnerstag aber steht er genau deshalb vor Gericht. Seine Sozialbetriebe haben sich nach der Art, mit dem Herrschaftsanspruch und mit den klassisch-brutalen Methoden der Organisierten Kriminalität als derart dichtes Netz über Rom gelegt, dass die Staatsanwälte von der „Mafia Capitale“ sprechen, der „Hauptstadtmafia“.

Wegen Mitwirkung und Verstrickung angeklagt sind 46 Personen, unter ihnen führende Stadtfunktionäre und Kommunalpolitiker sowohl des rechten als auch des linken Lagers.  Salvatore Buzzi (60) allerdings und der ehemalige Rechts-Terrorist Massimo Carminati (57), der als zweiter Kopf der Mafia Capitale gilt, müssen aus der Ferne zuschauen: Seit elf Monaten in fernen Hochsicherheitsgefängnissen untergebracht, gibt es zu ihnen nur eine Videoschaltung. So wie man es eben mit Mafiabossen in Italien macht. Der Prozess soll bis Juli 2016 dauern.

Die große Verhaftungswelle zu Anfang Dezember vergangenen Jahres hatte Rom von Grund auf erschüttert. Der Präsident des Gemeindeparlaments, Mitglieder der Stadtregierung, der Leiter der Müllabfuhr und etwa hundert andere fanden sich in Untersuchungshaft oder auf den Ermittlungslisten wieder. Aufgedeckt hatten die Mafiafahnder jenes System, mit dem Buzzi und Carminati die öffentlichen Kassen um viele Millionen Euro erleichtert hatten: Ihren Genossenschaften hatten sie städtische Aufträge in großer Menge zugeschanzt, an regulären Ausschreibungsprozeduren vorbei, mit Einschüchterung dort, wo es nötig, mit Bestechung dort, wo es nützlich war.

Der Chef der Müllabfuhr und andere führende Stadtfunktionäre bezogen aus Buzzis schwarzen Kassen regelmäßige Monatsgehälter von bis zu dreitausend Euro. Am meisten warf – in der aktuellen Notlage – die Unterbringung von Flüchtlingen ab. Carminati brüstete sich am Telefon: “Damit verdienst du heute mehr als mit Kokain”, und Buzzi hatte trotz all dem, was er für sich abzweigte, so viel Geld übrig, dass er einen führenden Koordinator im Innenministerium mit monatlich 5000 Euro schmieren konnte. Da ging’s auch um die lukrative Versorgung von bis zu 4000 Flüchtlingen im sizilianischen Auffanglager Mineo.

Die Frau suchte einen Arbeitsplatz für ihre Tochter

Andere Leute, wie eine getrennt vom Hauptprozess zu vier Jahren Haft verurteilte Amtsleiterin, wandten sich in persönlicher Notlage an Buzzi & Co. Die Frau suchte einen Arbeitsplatz für ihre Tochter. Buzzi half, presste ihr dafür aber Informationen über interne Entscheidungsprozesse ab. Als städtische Bedienstete wie diese Frau festgenommen wurden, sagte man sich in Rom, so ein “Geben und Nehmen“ sei doch ortsüblich, und dass der soziale Großunternehmer Buzzi ein Mafiaboss gewesen sei, habe keiner wissen können, da er doch bei den Chefs im Rathaus ein- und ausgegangen sei.

Tatsächlich legen es die Verteidiger im nun begonnenen Prozess darauf an, jeden Mafia-Verdacht zu demontieren und höchstens ein „Netz von Korruption“ einzugestehen – in der bei Buzzi schon zweimal fehlgeschlagenen Hoffnung, einen Deal mit der Justiz und damit eine erhebliche Reduzierung der Strafe zu erreichen, und mit dem Gedanken an ein sachlich nicht allzu fehlgehendes Bonmot, dass von den derzeit 52.000 Häftlingen in Italien höchstens ein Dutzend wegen Korruption einsitzt.

Die Staatsanwälte wiederum wollen vom Gericht bestätigt haben, dass die Angeklagten in Rom eine „Mafia ganz eigenständiger Art entwickelt“ haben – anders als im Maxi-Prozess in Bologna derzeit, wo sich gleich 250 Angeklagte aus der privaten Wirtschaft für Mafia-Verstrickungen verantworten müssen. Die Systeme dort aber  waren von ‘Ndrangheta-Clans aus Kalabrien ferngesteuert – wie die meisten Mafia-Umtriebe im Norden Italiens.

Eine ganz speziell römische Figur ist Massimo Carminati. Er kommt aus dem rechtsextrem-terrorististischen Sumpf der Hauptstadt; einen legendären Ruf hat er dadurch erworben, dass er 1999 mit einer 23köpfigen Bande mitten in der Justizzentrale der Hauptstadt den Tresorraum einer Bank ausraubte – wobei es Carminati weniger um Geld ging als um Unterlagen von Richtern und Staatsanwälten. Man sagt, die Angst der Juristen, mit dieser Beute erpresst zu werden, habe Carminati seither vor aller juristischen Unbill bewahrt: Er verlor bei einer Schießerei mit der Polizei zwar ein Auge, lebte aber frei. Die Ermittler heute halten fest, Carminati habe gegenüber irgendwie widerspenstigen Telefonpartnern nur seinen Namen nennen müssen, schon sei jeder gefügig geworden. Und den wenigen, die nicht gleich kapierten, riet Carminati, sie sollten mal „bei Google nachschauen“, wen sie da am Hörer hatten.

Vor Gericht sagte Carminatis Anwalt am Donnerstag, das alles sei im Grunde ein „kleines Prozesslein“, das „lediglich von einer Kampagne der Medien gedopt“ worden sei. Sein Mandant werde sich verteidigen, indem er „ein paar Sachen“ erkläre.

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