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Marco weiter in Haft

© dpa

Prozess: Marco muss weiterhin in Haft bleiben

Für den in der Türkei wegen sexuellen Missbrauchs angeklagten 17-jährigen Deutschen ist ein Ende der Untersuchungshaft auch nach einem halben Jahr nicht in Sicht. Das Gericht in Antalya vertagte den Prozess erneut und lehnte einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung ab.

Keine Wende im Fall Marco W.: Die Verteidiger kündigten für Montag einen Einspruch mit dem Ziel an, Marco noch vor dem nächsten Prozesstag auf freien Fuß zu bekommen. Marco wird vorgeworfen, die 13-jährige Engländerin Charlotte im Osterurlaub sexuell missbraucht zu haben. Der Schüler aus dem niedersächsischen Uelzen bestreitet den Vorwurf.

Die erneute Verzögerung in dem Prozess gegen Marco ergab sich dadurch, dass eine Aussage der jungen Engländerin dem Gericht in Antalya noch nicht offiziell vorlag. Charlotte war nach einem Rechtshilfeersuchen der Türkei in ihrer Heimat amtlich vernommen worden und hatte Marco nach Darstellung ihres Anwalts der Vergewaltigung beschuldigt. Die Richter in der Türkei wollten abwarten, bis die Aussagen auf dem Dienstwege in Antalya eintreffen.

"Mir drängt sich der Eindruck auf, dass das Gericht befangen ist", sagte Verteidiger Michael Nagel in Antalya. Wenn dem Einspruch gegen die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht stattgegeben werde, behalte die Verteidigung sich einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht vor. "In Deutschland wäre es nicht möglich, dass ein Jugendlicher so lange in Haft gehalten wird", sagte Jürgen Schmidt, ein weiterer Anwalt Marcos. "Für mich ist das unfassbar, für mich ist das ein Alptraum." Er bezeichnete es als "auffällig", dass Charlottes Anwalt Teile der Aussage des Mädchens kurz vor dem Prozessbeginn lancierte.

Marco gesundheitlich angeschlagen

Wie Nagel weiter erklärte, sei Marco sehr niedergeschlagen. In der Haft leide er zunehmend unter Hautproblemen und Asthma. Das Gericht habe dies aber lediglich zur Kenntnis genommen. Wichtig sei für den Jungen die Unterstützung aus seiner Heimatstadt Uelzen und aus ganz Deutschland, sagte Verteidiger Schmidt. "Es ist erstaunlich, wie viele Bürger mit Marco mitfühlen, wie viele Briefe wir bekommen", sagte der Anwalt. Viele Menschen würden ihre Unterstützung anbieten. "Das hilft ihm sicherlich auch."

Keine Neuigkeiten gab es zu dem vom Gericht in Auftrag gegebenen zweiten medizinischen Gutachten. Anfang August hatte ein Klinikarzt, der das Mädchen noch in der Nacht nach dem fraglichen Treffen mit Marco untersucht hatte, ausgesagt, er habe keine Anzeichen für eine Vergewaltigung entdeckt. Es habe auch keinen Geschlechtsverkehr gegeben. Trotzdem hatten die Richter am 6. September einem Antrag der Nebenklage auf ein weiteres Gutachten der Gerichtsmedizin zugestimmt. Wann dieses Gutachten vorliegen wird, ist unklar.

Zentrum für Türkeistudien fordert Freilassung

Die Frage, ob das Gericht von einer Vergewaltigung oder einem weniger schlimmen Vergehen ausgeht, wird Auswirkungen auf das Strafmaß haben. Bei einer Verurteilung wegen sexuellen Kindesmissbrauchs muss Marco im schlimmsten Fall fünf Jahre und vier Monate ins Gefängnis. Schenkt das Gericht der Aussage Marcos Glauben, die Britin habe sich als 15-Jährige ausgegeben, könnte der Straftatbestand des sexuellen Verkehrs mit Minderjährigen erfüllt sein. Das Strafmaß hier: zwischen 4 und 16 Monaten Gefängnis.

Das Zentrum für Türkeistudien in Essen forderte die sofortige Freilassung Marcos aus türkischer Haft. "Auch die belastende Aussage von Charlotte ändert nichts daran: Angesichts des ungewissen Verfahrensausgangs ist das Fortdauern von Marcos Untersuchungshaft grob unverhältnismäßig", sagte Institutsleiter Faruk Sen. Die Affäre beginne, das Ansehen der Türkei zu beschädigen. "Es kann aber nicht sein, dass jemand so lang in U-Haft sitzt, wenn eigentlich auch ein kompletter Freispruch denkbar ist", sagte Sen. (mit dpa)

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