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Friedhofsaufseher Reiner Dölfel testet auf dem Pragfriedhof in Stuttgart die Standfestigkeit eines Grabsteins. Auf dem Friedhof müssen Jährlich über 13000 Gräber überprüft werden.

© Wolfram Kastl/dpa

Prüfer auf den Friedhöfen in Deutschland: Die an den Grabsteinen wackeln

Prüfsaison auf Deutschlands Friedhöfen: Jeder einzelne Grabstein muss einmal im Jahr auf Standfestigkeit untersucht werden - so wollen es die Paragrafen. Dabei kommt es auf Technik an. Doch wie oft werden tatsächlich Menschen von Grabsteinen erschlagen?

Immer schön sachte: Drücken geht. Wackeln gerade noch. Aber gerüttelt werden sollte nicht. Was Reiner Dölfel in diesen Tagen an zig hundert Gräbern in Stuttgart macht, ist typisch deutsch reglementiert. Der Aufseher des Pragfriedhofs und sein Team prüfen die Standfestigkeit aller größeren Grabsteine. Zunächst mal mit Muskelkraft mit Drücken und Ziehen an der obersten Kante der gerne mal mehrere hundert Kilo schweren Steine. Aber gerüttelt wird nicht, versichert er - schließlich soll das Hin und Her ja nichts lockern. 

Wirkt ein Stein tatsächlich lose, greift Dölfel zum „Kipp-Tester-Plus“. Der sieht aus wie eine große Spraydose mit Griffen. Dölfel drückt ihn waagerecht gegen die Oberseite eines Grabsteins, der bei der Druckprobe zuvor negativ aufgefallen war. Als die Prüfkraft erreicht ist, ertönt ein Ton. Grabsteine über 70 Zentimetern Höhe müssen an der Oberkante einen Druck von 50 Kilogramm aushalten, kleinere 30 Kilogramm.

Der Stein fällt um, das Mädchen stirbt

Denn immer wieder kommen Schreckensmeldungen von Friedhöfen, auch in jüngster Zeit: Im US-Bundesstaat Pennsylvania wird ein 74-Jähriger vom Grabmal seiner Mutter erschlagen, in Texas ein Vierjähriger. 2011 ist in der Slowakei ein Achtjähriger das Opfer, 2008 in Wien eine ältere Frau. Im bayerischen Mettendorf turnt 2003 eine Siebenjährige auf dem Granit-Grabstein ihrer Großmutter rum. Der Stein fällt um, das Mädchen stirbt. Natürlich hat man in Deutschland jede Menge Paragrafen, die so etwas verhindern sollen: Die Sorgfaltspflicht liegt eigentlich bei den Grabnutzungsberechtigten, sprich: bei den Angehörigen. Die Kommunen haben aber die Verkehrssicherungspflicht auf den Friedhöfen, heißt es beim Deutschen Städtetag.

Zudem gibt es Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft für Gartenbau, eine Richtlinie der Steinmetz- und Bildhauerhandwerks und eine Technische Anleitung zur Standsicherheit von Grabmalanlagen, die TA Grabmal, der Deutschen Naturstein Akademie. Unter dem Strich steht: Die Kommunen sind zur alljährlichen Grabmalprüfung verpflichtet. Bundesweit soll es 80 Unfälle mit Grabsteinen pro Jahr geben. Die allermeisten verlaufen glimpflich.

„Bei uns heißt das nur Wackelaktion“

Allein auf den 42 Friedhöfen in Stuttgart gibt es 157 000 Gräber, noch 60 Prozent davon mit stehenden Grabmalen, wie Maurus Baldermann vom Friedhofsamt der Stadt berichtet. Tendenz fallend, weil Urnen- und anonyme Bestattungen seit Jahren zunehmen.Viele Grabsteine liegen und sind keine Gefahr für die Sicherheit. Für Friedhofsaufseher Dölfel bedeuten die Vorschriften, dass er und sein Team in diesen Monaten auf dem Pragfriedhof rund 14 000 stehende Grabsteine prüfen müssen. Wenn der Frost aus dem Boden ist, kann es losgehen. „Bei uns heißt das nur Wackelaktion“, sagt Dölfel. Im Schnitt seien etwa 70 Stück zu beanstanden - jeder 200. Stein.

Wasser, Eis oder abgesunkene Fundamente können der Grund sein. In diesen Fällen würden die Angehörigen aufgefordert, die Befestigung innerhalb von vier Wochen zu reparieren. Das kann mehrere hundert Euro kosten. „Wir bestehen dann auf einer Reparatur“, sagt Baldermann. Wackelt ein Stein erst mal, werde das ja immer schlimmer. Reagieren die Angehörigen nicht, gibt es noch einmal Post und der Stein wird von Amts wegen umgelegt - und die Gefahr gebannt. (dpa)

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