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Psychologie: Männer müssen spitze sein

Warum viele Frauen keinen Partner finden – für den Therapeuten Stefan Woinoff ist ein archaisches Beuteschema die Ursache.

Wenn Bildungspolitiker sich heute Sorgen machen, dann geht es meist um die Jungen. Die Mädchen haben bessere Noten, sie stellen inzwischen 56 Prozent der Abiturienten und eine knappe Mehrheit der Hochschulabsolventen. Doch genau diese erfolgreichen jungen Frauen mit Diplom, Bachelor, Master oder Staatsexamen in der Tasche bereiten wenig später aus demografischer Sicht Kummer: 40 Prozent von ihnen bleiben heute kinderlos. Das neue einkommensbezogene Elterngeld, das auch für junge Väter Anreize zum zeitweiligen Ausstieg enthält, und die Kita-Offensive sind dabei wichtige politische Signale. Sie machen es gut qualifizierten Männern und Frauen, die ihren Job lieben, leichter, zugleich auch den Wunsch nach der eigenen Familie zu realisieren.

Dazu gehört jedoch wenigstens zu Beginn immer noch ein männlicher Partner. Und genau an dieser notwendigen Voraussetzung hapert es nach der Beobachtung des Münchner Paartherapeuten Stefan Woinoff: Immer mehr erfolgreiche, attraktive Frauen finden nicht den passenden Partner, mit dem sie zusammen leben und Kinder bekommen könnten. Der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie glaubt die Ursache dafür gefunden zu haben, dass gerade die gut ausgebildeten Frauen häufig Single bleiben: Bei ihrer Partnerwahl wenden sie seiner Ansicht nach unbewusst ein archaisches, angesichts moderner Arbeits- und Lebensverhältnisse untaugliches Raster – ein Beuteschema – an: Sie wollen einen Mann, zu dem sie nicht nur körperlich, sondern auch in intellektueller und finanzieller Hinsicht aufschauen können. Sie wollen einen Mann, der einen höheren Status hat als sie selbst. Emanzipation und Emotionen geraten in Widerstreit: Den zurücksteckenden Mann, den die Frauen öffentlich fordern, den wollen sie privat eigentlich gar nicht. Woinoff glaubt, dass hier ein Muster fortwirkt, das in früheren Epochen der Menschheitsgeschichte sinnvoll war, weil große, durchsetzungsstarke und in der Hierarchie oben stehende Männer die Chancen der Frauen erhöhten, ihren Nachwuchs durchzubringen. Dieses Muster macht heute Probleme: Je weiter moderne Frauen selbst nach oben kommen, umso magerer wird noch weiter oben die Auswahl. „Die meisten Akademikerinnen bekommen heute keine Kinder, weil sie nicht den richtigen Partner finden, und nicht, weil sie explizit keine Kinder haben wollen.“

In seinem gerade erschienenen Buch mit dem etwas reißerischen Titel „Überlisten Sie Ihr Beuteschema. Warum immer mehr Frauen keinen Partner finden und was sie dagegen tun können“ verspricht der Münchner Arzt und Psychotherapeut seinen veränderungswilligen Leserinnen Rat und Hilfe. Vor allem sollten sich Frauen darauf besinnen, was sie zu bieten haben – statt ihr Licht unter den Scheffel zu stellen.

Bleibt die Frage, ob das gut gehen kann, wenn nicht auch die Männer an den hergebrachten Beuteschemata arbeiten. „Vielen Männern fällt es immer noch schwer, Frauen auf gleicher Augenhöhe zu begegnen“, beobachtet die Berliner Paartherapeutin Monika Häußermann. „Sie suchen jüngere oder intellektuell unterlegene Frauen, bei denen sie die Helden sein können.“ Und gerade diese Wahl jüngerer Partnerinnen ist evolutionsbiologisch gut fundiert, erhöht sie doch die Chance der Männer, ihre eigene Gene weiterzugeben. Ein anderes typisches Muster besteht nach Erfahrung der Paartherapeutin jedoch darin, dass sich die Ungleichheit der Geschlechter erst einstellt, wenn die Kinder auf die Welt kommen. Die Frau hat dann ursprünglich keineswegs nach dem überlegenen Mann gesucht. Sie hat jahrelang mit einem Partner, den sie vielleicht schon während der Ausbildung kennenlernte, „auf Augenhöhe“ gelebt – und sie sieht nun, nach der Geburt des ersten Kindes, für sich keinen anderen Weg, als bei der eigenen Karriere zurückzustecken, um die Mutterrolle möglichst „perfekt“ erfüllen zu können. „Die Ungleichheit stellt sich erst dann ein, und damit auch oft Selbstwertprobleme und Verunsicherungen bei beiden Geschlechtern“, sagt Häußermann. In diesen Fällen ist nicht das Beuteschema das Problem, sondern es sind die widerstreitenden Erwartungen, die der gut ausgebildeten, „starken“ Frau zu schaffen machen.

Statt von „archaischen Beuteschemata“, die seit längst vergangenen Zeiten „in den Genen schlummern“, spricht Häußermanns Berliner Kollegin Imke Dierks denn auch lieber von „tradierten Rollenvorstellungen“. Dierks beobachtet, dass viele Menschen heute angesichts der Herausforderung, sich eigenverantwortlich zu orientieren, das Bedürfnis verspüren, ihre Paarbeziehung zumindest teilweise an tradierte Vorstellungen anzulehnen. „Man sucht nach Vorgaben, die helfen können, die Vielfalt der möglichen Lebensentwürfe zu sortieren.“

Dass „der Weg, den die Frauenbewegung einmal eingeschlagen hat, im Grunde der richtige ist“, ist dabei auch in Woinoffs Augen unbestritten. Wenn es die Forderung nach beruflicher Gleichstellung der Geschlechter nicht schon längst gebe, dann müsste man sie heute, in den Zeiten der Globalisierung, neu erfinden, sagt der Autor. Denn wer heute eine Familie gründen will, tut gut daran, sie wirtschaftlich mit zwei qualifizierten Elternteilen abzusichern. Woinoffs Appell an die Frauen: Sie sollten ihr Beuteschema modifizieren und auf die starke Frau in sich hören, die einen Mann wegen seiner Kreativität und Sensibilität lieben kann, statt auf seinen Status zu schauen. Und sie sollten von den Männern zumindest eines lernen: Ihre eigene Stärke als attraktives Angebot für ein gemeinsames Leben zu präsentieren, statt sie zu verstecken.

Solchen Perspektiven können auch die Paartherapeutinnen einiges abgewinnen. „Junge Frauen haben heute einen enormen Anspruch an sich selbst, den sie häufig unreflektiert auf den Partner übertragen“, sagt Dierks. Kein Wunder, dass es dann zu Konflikten, Vorwürfen und Nörgeleien kommt. „Die Frauen sollten begreifen, dass es jetzt vor allem die Männer sind, denen die Vorbilder fehlen, und dass sie selbst hier schon weiter sind“, ergänzt Häußermann. Aus einem solchen neuen weiblichen Selbstbewusstsein kann dann auch ein wenig Nachsicht erwachsen – mit sich selbst und mit dem Menschen, der fürs Zusammenleben infrage kommt.

Stefan Woinoff, „Überlisten Sie Ihr Beuteschema“, Mosaik bei Goldstein, München, 240 Seiten, 14,95 Euro

Adelheid Müller-Lissner

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