zum Hauptinhalt
Foster Feind

© ddp

Rache-Film: Selbstjustiz für Linke

Selbstjustiz ist ein sehr amerikanisches Thema und Jodie Fosters Rachefilm "Die Fremde in Dir" ist nicht ohne reale Vorbilder. In den USA und hierzulande fragt man sich, ob die Schauspielerin von dem Thema besessen ist.

„Ein Lynchjustiz-Film, den sogar Linksliberale gut finden dürfen“, urteilte die New York Times über Jodie Fosters Film „Die Fremde in dir“. Jodie Foster ist Hauptdarstellerin und Produzentin, der Ire Neil Jordan hat die Regie übernommen. Allein diese Eckdaten genügen, um Bedenken urbaner, gut informierter Zuschauer um die Vierzig, die nicht unbedingt auf Action stehen, im Vorfeld zu zerstreuen: Man weiß zwar, dass es sich bei der Heldin um eine Frau handelt, die, um ihren bei einem Überfall ermordeten Freund zu rächen, das Gesetz, das heißt: eine Waffe, in die eigenen Hände nimmt und drauflos ballert, wo sie Unrecht wahrnimmt. Aber die 45-jährige Yale-Absolventin Jodie Foster, die mehrere Fremdsprachen spricht, ihre beiden Söhne allein erzieht und seit Jahren eine stabile Beziehung mit der Produzentin Cydney Bernard führt, ist nicht nur eine Identifikationsfigur für Frauen – auch Männer mögen die attraktive, zierliche Blondine. Und der Regisseur und Neil Jordan ist als Europäer und Autor revolutionärer Irland-Dramen wie „The Crying Game“ (1992) oder „Michael Collins“ (1996) vor jeglichem Verdacht gefeit, ein Reaktionär zu sein.

Dennoch ist „Die Fremde in dir“ – der nach der ersten Woche in Deutschland immerhin auf Platz fünf in den Zuschauerzahlen lag – nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande auf scharfe Kritik gestoßen. Und Jodie Foster, die zum Filmstart auf Interview-Tour ging, hatte alle Mühe, immer wieder zu beteuern, dass sie weder mit der Handlungsweise ihrer Filmfigur noch mit dem in den USA üblichen nahezu freien Verkauf von Schusswaffen einverstanden ist. Und sie sprach im Zusammenhang mit dem Film über die Angst der New Yorker seit dem 11. September 2001. Retten kann sie trotz aller intellektuellen Anstrengung diesen Film, der im Original „The Brave One“, also „Die Mutige“, heißt und so bereits im Titel eine positive Bewertung der Heldin außer Frage stellt, nicht. Während nämlich das Rachemotiv der Radiomoderatorin, die sich nach langem Koma vor den Trümmern ihres bisherigen Lebens wiederfindet, noch nachvollziehbar sein mag, ist mit rechtsstaatlichem Verständnis kaum vereinbar, dass sie von einem frustrierten Gesetzeshüter gedeckt wird, der sie nach immerhin acht brutalen Morden, die wie Hinrichtungen wirken, entkommen lässt.

Selbstjustiz ist ein sehr amerikanisches Thema und der Film ist nicht ohne reale Vorbilder (Kasten). Jodie Foster hat mehrfach Figuren gespielt, die Selbstjustiz üben – eine seltsame Affinität, die auf ihre Anfänge als Filmstar zurückweisen: 1976 spielte die 14-Jährige in Martin Scorseses „Taxi Driver“ eine minderjährige Prostituierte, deren Zuhälter von ihrem selbsternannten Beschützer Travis Bickle (Robert de Niro) erschossen wird. Dieser Travis Bickle war nachts auf den Straßen New Yorks als Taxifahrer unterwegs; er beobachtete, ähnlich kontaktgestört und vereinsamt wie die Radiomoderatorin Erica Bain in „Die Fremde in dir“, die alltägliche Straßenkriminalität in der Metropole, die in den siebziger und achtziger Jahren als gefährlichste Stadt der Welt galt. 1988 verließ sie sich als Vergewaltigungsopfer in Jonathan Kaplans „Angeklagt“ noch auf die Rechtssprechung und kämpfte mit Hilfe einer Anwältin dafür, dass die Täter hart bestraft wurden. Besonders in feministischen Kreisen wurde der Film damals gefeiert; Fosters verhärmte Darstellung der missbrauchten, verbissen auch gegen ihre eigene Angst zu Felde ziehenden Frau rührte die Zuschauerinnen zu Tränen.

Verbissenheit und Härte zeichneten ihre Rollen in David Finchers Film „Panic Room“ (2002) und Robert Schwentkes „Flightplan” (2005) ebenfalls aus. In beiden Filmen spielte sie eine Frau, die ihr eigenes Leben und das ihres Kindes verteidigt – mit Waffengewalt. „Die Fremde in dir“ – der deutsche Titel des Films lässt wohlweislich eine Ambivalenz anklingen, die dem amerikanischen fehlt – führt dieses Motiv nun fort und lässt die Heldin, die in der Situation der Bedrohung nicht in der Lage war, sich zu wehren, einen Rachefeldzug antreten, der zunächst mit ihrem eigenen Schicksal nichts zu tun hat. Die Zeitungen begleiten ihre Morde mit Sympathie, sie wird zur Repräsentantin des Volkszorns, der heimlichen Rachegelüste des kleinen Mannes – und der kleinen Frau. Ihre Vorläufer in diesem Genre sind Charles Bronson („Ein Mann sieht Rot“) und Clint Eastwood („Dirty Harry“), die in den 1970ern und 1980ern jeweils fünfmal die gleiche Figur des extrem brutalen Rächers auf eigene Faust spielten. Das war die Zeit des Vietnam-Krieges und der Watergate-Affäre, in der die Amerikaner das Vertrauen in etablierte Institutionen verloren hatten. Die Filme reagierten auf diese Entwicklung mit Helden, die von der Kritik als Repräsentanten der Ultra-Konservativen angeprangert wurden – ein Rollenimage, mit dessen Folgen besonders Clint Eastwood lange zu kämpfen hatte.

Bei Jodie Foster scheint es umgekehrt zu sein: Sie benutzt ihr positives Image, um die Wertvorstellungen der Bush-Ära auch einem liberalen Publikum schmackhaft zu machen. Vielleicht meint sie es nicht so. Aber warum tut sie es dann?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false