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Durchtrieben bis zum Äußersten. Thomas Drach (Archivbild), der nächstes Jahr seine Haft verbüßt hat, steht ab Donnerstag wieder vor Gericht. Er soll im Gefängnis eine Entführung seines Bruders organisiert haben, um ihm das Reemtsma-Lösegeld abzupressen.

© dpa

Reemtsma-Entführer: Er lässt nicht locker

Der Reemtsma-Entführer Thomas Drach will aus dem Gefängnis heraus an das Lösegeld – mit allen Mitteln. Noch immer ist der Großteil des Lösegeldes nicht aufgetaucht.

Ein bizarrer Beutestreit kommt vors Hamburger Landgericht. Nächsten Donnerstag startet ein spektakulärer Prozess mit einem schillernden Kriminellen auf der Anklagebank. Dort wird der noch bis Juli 2012 inhaftierte Thomas Drach Platz nehmen, der 1996 den Hamburger Multimillionär und Mäzen Jan Philipp Reemtsma entführte und dafür unter Komplizenschaft seines Bruders Lutz Drach ein Rekordlösegeld in Deutschland von umgerechnet 15,3 Millionen Euro einstrich. Die Staatsanwaltschaft in Hamburg wirft dem Kidnapper vor, 2009 aus dem Gefängnis heraus eine Entführung und Erpressung seines zwei Jahre jüngeren Bruders geplant zu haben. Die Anklagebehörde stützt sich dabei auf zwei Briefe, die Thomas Drach im Februar 2009 an einen Freund verfasst hat und die von der Postkontrolle der Haftanstalt Fuhlsbüttel abgefangen wurden.

Hintergrund ist, dass noch immer der Großteil des Lösegeldes, damals ausgezahlt in 15 Millionen D-Mark (15 000 Banknoten a 1000 Mark) und 12,5 Millionen Schweizer Franken (ebenfalls in Scheinen a 1000 Franken), nicht aufgetaucht ist und darüber ein Bruderzwist besteht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 51-jährigen Thomas Drach nun vor, versucht zu haben, einen Freund für eine räuberische Erpressung seines Bruders anzustiften. Letzterer wurde im Mai 2009 aus der Haft entlassen, nachdem er eine sechseinhalbjährige Haftstrafe wegen Geldwäsche abgesessen hatte. Mit kriminellem Druck sollte Lutz Drach offenbar gezwungen werden, binnen weniger Monate einen hohen Millionen Euro-Betrag an seinen Bruder zu zahlen. In einem der Briefe findet sich unter anderem die Formulierung: „lad' doch mal meinen Bruder ein …“. Gegenüber dem jüngeren Bruder taucht zudem der Vorwurf auf, Teile des verschwundenen Lösegeldes „zweckentfremdet“ und „verschwendet“ zu haben. Für Ermittler hat sich trotz mysteriöser und verschlüsselter Botschaften der Verdacht erhärtet, dass vor zwei Jahren eine Entführung des Bruders nach Spanien vorbereitet werden sollte. Demnach darf davon ausgegangen werden, dass Lutz Drach sehr wohl Kenntnisse über den Verbleib des restlichen Geldes besitzt, obwohl er dies im Prozess gegen ihn stets geleugnet hatte.

Jan Philipp Reetsma war 1996 von Drach entführt worden.
Jan Philipp Reetsma war 1996 von Drach entführt worden.

© dapd

Thomas Drach gilt als kaltblütiger Schwerverbrecher, der schon vor der Reemtsma-Entführung wegen Diebstahls und schwerer räuberischer Erpressung fast zehn Jahre seines Lebens im Gefängnis verbrachte. Er wurde nach der Reemtsma-Entführung 1998 in Argentinien gefasst, nachdem er bereits viel Bares aus der Entführung in Dollar eingetauscht hatte und auf dem anderen Kontinent ein prassendes Luxusleben führte. Selbst in dortiger Haft vor seiner Überstellung im Jahr 2000 nach Hamburg tüftelte er an einem Plan für seine Befreiung.

Spuren des Aufsehen erregenden Verbrechens und der Flucht der beteiligten Gangster führten rund um den Globus unter anderem auch in die Slowakei, nach Spanien, Bulgarien, Polen, Belgien, in die Niederlande, nach Australien, Brasilien und Uruguay. 2001 wurde er in Hamburg zu einer Haftstrafe von 14 Jahren und sechs Monaten verurteilt, die Mitte nächsten Jahres unter Anrechnung der Auslieferungshaft in Argentinien abläuft. 2004 konnte man ihm nur unter massiver Gegenwehr eine DNA-Probe abnehmen. Ein 2007 gestellter Antrag auf vorzeitige Haftentlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe wurde abgelehnt.

Wird er jetzt noch einmal zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt, droht ihm die Sicherungsverwahrung. Aus diesem Grund wird ab nächster Woche auch ein Psychiater der Verhandlung als Beobachter beiwohnen. Zunächst sind fünf Prozesstage unter verschärften Sicherheitsauflagen anberaumt. Die Staatsanwaltschaft hat dazu sieben Zeugen benannt, darunter auch den Bruder Lutz Drach. Als Beweismittel dienen offenbar noch mehr als nur zwei Briefe, denn immerhin sollen insgesamt 35 Urkunden prozessual aktenkundig gemacht werden.

Im März 1996 hatte Thomas Drach zusammen mit drei Komplizen Reemtsma auf dessen Grundstück in Hamburg-Blankenese aufgelauert und entführt. Es war eine der spektakulärsten Entführungen in der Geschichte der Bundesrepublik. 33 Tage sperrte das Quartett das Opfer in einen Keller in der Nähe von Hamburg, ehe es nach der Lösegeldübergabe in Krefeld unversehrt freigelassen wurde. Thomas Drachs Mittäter wurden zu Haftstrafen zwischen fünf und zehneinhalb Jahren verurteilt.

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