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Reformdrang: Justizminister Heiko Maas will ein "modernes Recht".

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Reform der Tötungsdelikte: Mord soll nicht mehr bleiben, was er war

Justizminister Heiko Maas (SPD) will dem Strafgesetzbuch den Ungeist der Nazis austreiben – aber „lebenslang“ bedeutet auch künftig lebenslang.

Mord und Totschlag, das sind Begriffe, unter denen sich jeder etwas vorstellen kann. „Mord“ heißt es schnell nach Gewalttaten, bei denen es Tote gab, zuletzt etwa im Fall Tugce. Doch am Ende steht häufig ein anderes Urteil, etwa Totschlag oder, wie nach den tödlichen Schlägen gegen die junge Frau, Körperverletzung mit Todesfolge. Jetzt will Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine Reform der Tötungsdelikte angehen, freilich aus anderen Gründen: Der Mordparagraf sei „bis heute vom Ungeist der Nazi-Ideologie geprägt“, sagte Maas anlässlich eines am Montag in Berlin vorgestellten Expertenberichts. „Wir wollen ein modernes Recht, das frei ist von der Sprache der Nazis“.

Sprache der Nazis? Für juristisch weniger Versierte besteht der Unterschied zwischen Mord und Totschlag darin, dass der eine mit Kalkül ausgeführt wird, der andere im Affekt. Historisch war das mal durchaus richtig. Im Strafgesetzbuch des Kaiserreichs von 1871 hieß es: „Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft.“ Totschlag war, wenn der Täter dies „nicht mit Überlegung“ tat.

Mit der geltenden Rechtslage hat das nicht mehr viel zu tun. Mord ist die Tötung eines Menschen unter besonderen Umständen oder aus besonderen Motiven. Die Motive sind etwa Habgier, Mordlust oder sexuelle Befriedigung sowie die Absicht, andere Straftaten zu vertuschen. Zu den Umständen zählen Heimtücke sowie eine grausame oder gemeingefährliche Begehungsweise. Totschlag ist, gewissermaßen, alles was übrig bleibt. Die fachliche Einordnung ist von enormer Bedeutung – für den Täter. Denn das Gesetz legt das Urteil praktisch fest: „Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft“. Totschläger kriegen dagegen „nur“ mindestens fünf Jahre, bei mildernden Umständen auch weniger.

Das Mörder-Gesetz geht in dieser Formulierung tatsächlich auf die Nazis zurück, es stammt aus dem Jahr 1941. Die Autorenschaft wird unter anderem dem Blutrichter am Volksgerichtshof Roland Freisler zugeschrieben, der damit, ganz im Stil des Regimes „Verbrecherpersönlichkeiten“ umreißen wollte – und die Gefahr damit gleichsam nicht in der Tat, sondern im Tätertypus erkannte.

Eine Sichtweise, die, anders als der Gesetzeswortlaut, von der Geschichte längst überholt ist. Nun will Maas den Wandel auch in den Worten vollziehen. Er hatte eine Kommission beauftragt, auf deren Erkenntnissen er mit seiner Reform aufbauen will. Die Experten kritisierten vor allem die zwingende Verknüpfung des Mordes mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Im Einzelfall kann die Bestrafung als ungerecht erscheinen, etwa wenn nach Jahrzehnten Ehehölle eine gequälte Gattin – es gibt auch Fälle mit männlichen Tätern – zum Messer greift, um Peiniger oder Peinigerin im Schlaf zu erstechen. Ganz auf Maas-Linie meinen die Fachleute auch, der Gesetzgeber solle seine an die Nazis gemahnende Terminologie korrigieren. Minder schwere Fälle müssten weiter als solche beurteilt werden können, wenngleich keine Freiheitsstrafen unter zwei Jahren verhängt werden sollten. „Es geht darum, der Rechtsprechung Gesetze an die Hand zu geben, aus denen heraus gerechte Urteile im Einzelfall möglich sind – und nicht wie bislang gerechte Urteile den Gesetzen auf Umwegen abgetrotzt werden müssen“, formuliert Maas seinen eigenen Anspruch.

Konservative Gemüter, die in der Reform Verweichlichungstendenzen ausmachen könnten, beruhigte er damit, es sei nicht beabsichtigt, denjenigen, der einen anderen tötet, milder zu bestrafen. „Lebenslang“ soll Höchststrafe bleiben. „An diesem Prinzip werden wir nicht rütteln.“

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