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Panorama: Reiche Ernte

Milliarden an Agrarsubventionen werden jedes Jahr ausgeschüttet – wer sind die großen Nutznießer, die die Öffentlichkeit scheuen?

Berlin - Eigentlich müssten Queen Elisabeth II. und ihr Sohn Prinz Charles leidenschaftliche Anhänger der Europäischen Union sein. Schließlich profitieren die Royals nicht schlecht vom System der europäischen Agrarsubventionen. Die Queen hat im Jahr 2002 immerhin 545000 Pfund (rund 779000 Euro) kassiert. Charles bekam 224000 Pfund (rund 320000 Euro) aus Brüssel überwiesen. Aber auch der Herzog von Westminster dürfte sich über die 448472 Pfund (rund 640000 Euro) ebenso gefreut haben wie der Herzog von Marlborough, der auf 511435 Pfund (rund 730000 Euro) gekommen ist. Das berichtet die „International Herald Tribune“ mit Berufung auf das britische Landwirtschaftsministerium. Denn auf der Insel gilt seit diesem Jahr ein Informationsfreiheitsgesetz, nach dem die Briten nun auch Auskunft darüber bekommen, wem die Agrarsubventionen eigentlich nutzen.

Den größten Vorteil vom alten Subventionssystem hatte aber kein alter Adliger, sondern die größte Zuckerfabrik der Welt. Tate & Lyle kassierte 120 Millionen britische Pfund. An zweiter Stelle der Liste steht der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestle mit seiner britischen Tochter. Der Konzern bekam 11,6 Millionen Pfund aus Brüssel überwiesen.

In Dänemark stellt sich die Lage ähnlich dar. Auch dort profitiert die königliche Familie überproportional von den EU-Agrarsubventionen. Aber auch große Konzerne, die staatlichen Gefängnisse oder Politiker haben größere Beträge aus Brüssel kassiert. Wie die neue EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel, die aus Dänemark kommt. Ihr Ehemann kassiert EU-Agrarzuwendungen.

In Deutschland ist die Datenlage dürftig. Denn ein Informationsfreiheitsgesetz gibt es nicht, und die meisten großen Subventionsempfänger haben kein Interesse daran, dass ihr Name bekannt wird. Bekannt ist immerhin, dass in Deutschland sogar der Braunkohlekonzern Rheinbraun Agrarhilfe kassiert. Er räumt die Braunkohle im Tagebau ab und bekommt anschließend für die zurückgelassene Mondlandschaft Agrarsubventionen. Weitere große Subventionsempfänger sind beispielsweise der Ferdinandshof in Mecklenburg-Vorpommern, der rund 22000 Bullen mästet und dafür jährlich genauso viel Prämien aus Brüssel kassiert, wie alle Höfe zusammen, die weniger als 90 Bullen besitzen. Das waren 1999 rund drei Millionen Euro. Aber auch Funktionäre aus der Landwirtschaftslobby fahren mit dem alten Subventionssystem nicht schlecht. So kassiert ein Betrieb in Ostdeutschland, an dem der Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG), Philip Freiherr von dem Bussche, zur Hälfte beteiligt ist, für seine rund 2000 Hektar etwa 750000 Euro Prämien. Und das bei gerade mal 13 Beschäftigten. Diese Rechnung hat der Vorsitzende des EU-Agrarausschusses, Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf (Grüne) aufgemacht. Von dem war Bussche nicht amüsiert und versuchte dem Europapolitiker in drei Prozessen zu verbieten, diese Summe weiter zu nennen – allerdings vergeblich. „Wahrheiten darf man sagen“, sagte Graefe dem Tagesspiegel. Er hält eine Veröffentlichung der großen Subventionsempfänger für „überfällig“. Schließlich sei es schon immer eine „hohe ideologische Leistung gewesen, die Milliardenbeträge, die in die Landwirtschaft flossen, mit dem Hinweis auf die Rettung der bäuerlichen Landwirtschaft zu begründen“, sagte er. Ganz so leicht sollen es die Profiteure des alten Systems künftig nicht mehr haben. Von diesem Jahr an gilt die EU-Agrarreform, mit der die Direktzahlungen zumindest von der Menge der erzeugten Produkte entkoppelt werden. Das heißt, dass Betriebe wie der Ferdinandshof in Mecklenburg-Vorpommern, der mit seinen rund 22000 Bullen auf Beihilfen von rund drei Millionen Euro im Jahr kommt, möglicherweise bald etwas weniger kassieren.

Denn der Bauernverband überzeugte die Bundesratsmehrheit davon, zunächst eine historische Betriebsprämie zu zahlen, um erst von 2007 an flächenbezogene Prämien zu vergeben. Auch der Versuch, die Empfänger der Subventionen zumindest dazu zu verpflichten, Arbeitsplätze zu schaffen oder einen ökologischen Mehrwert durch eine besonders schonende Produktion zu erbringen, ist im Bundesrat stark verwässert worden.

Nun sollen Betriebe schon dann in den Genuss der Flächenprämien kommen, wenn sie zumindest die geltenden Gesetze einhalten. Das ärgert nicht nur Graefe, das ärgert auch Lutz Ribbe von der Umweltstiftung Euronatur. Vor allem, weil er befürchtet, dass die EU-Finanzplanung dieses Missverhältnis noch weiter zementieren könnte. Denn in der ersten Säule der Agrarsubventionen, den Direktzahlungen, soll bis 2013 nach dem Wunsch des französischen Präsidenten Chirac nicht gespart werden – und der Kanzler hat ihm seine Unterstützung zugesagt. Dafür soll in der zweiten Säule, den Zahlungen für die ländliche Entwicklung, gespart werden. Doch genau das sind die Mittel, mit deren Hilfe neue Arbeitsplätze entstehen könnten, kritisiert Ribbe.

Die Agrarreform ist für Brüsseler Verhältnisse zwar ein großer Wurf und eine klare Verbesserung im Vergleich zum alten System. Doch dass das Geld auch weiterhin nach dem Motto „Wer hat, dem wird gegeben“ verteilt wird, daran ändert diese Reform zunächst nicht viel.

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