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Sehenswert. Liliesleaf, einst Farm-Unterschlupf militanter Apartheidsgegner.

© Gerd W. Seidemann

Apartheid-Erinnerungsorte: Nelson Mandela war nicht allein

Willkür und Widerstand: Wie sich Südafrika mit seiner Geschichte der Rassentrennung auseinandersetzt.

Kaffer, Kuli, Buschmann – keine Bezeichnung für die nicht-weiße Bevölkerung Südafrikas war offenbar böswillig genug. Und den Herrschenden zur Zeit der Apartheid kein Grund zu nichtig, politisch Missliebige einzusperren. Prema Naidoo, gebürtiger Südafrikaner indischer Abstammung, hatte „Glück“ – der heute 68-Jährige musste „nur“ von 1981 bis 1983 Erniedrigung und Folter im Old- Fort-Gefängnis auf dem Constitution Hill in Johannesburg erleiden. Die Anklage: „Sabotage und Verrat“; er hatte entflohenen politischen Gefangenen geholfen. Doch für ihn hat sich der mühsame Weg zur Demokratie schließlich gelohnt, er war Teil der Geschichte, die mit „Mandela: Der lange Weg zur Freiheit“ am 30. Januar auch bei uns in die Kinos kommt.

Die Besucher, die Naidoo durch die heutige Apartheid-Erinnerungsstätte führt, sind überrascht, wie der Mann sachlich und ohne Verbitterung auf die dunkle Zeit zurückblickt und von den damaligen Zuständen erzählt. „Wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen, müssen jedoch vor allem nach vorn schauen“, sagt er. Südafrikas Probleme seien noch so groß, dass nunmehr alle zusammenstehen müssten. Dass die finstere Geschichte des Apartheid-Regimes in Erinnerung bleibt, ist gesichert. Es gibt neben dem Old Fort noch eine Reihe weiterer Gedenkstätten auch in Johannesburg, die Einheimischen und Touristen ein plastisches Bild von den damaligen Zuständen vermitteln.

Kein Fett für Schwarze

Wer mit Prema Naidoo durch den ehemaligen Gefängniskomplex geht, kann sich eines beklommenen Gefühls kaum erwehren. „Hier war meine Zelle“, sagt Naidoo, bittet die Besucher in einen überraschend großen, dunklen Raum von etwa 40 Quadratmetern – und lacht: „Nein, nicht für mich allein. Hier lagen wir dicht an dicht, wie Sardinen.“ Kriminelle und Politische gemeinsam. „Die Kriminellen haben uns in Ruhe gelassen, uns kein Haar gekrümmt. Allein die Wärter waren schnell mit Hieben dabei, schickten einen aus geringstem Anlass in Einzelhaft oder ordneten Essensentzug an.“

Prema Naidoo war einst Gefangener in Johannesburg. Heute führt er Besucher durch die Apartheid-Erinnerungsstätte.
Prema Naidoo war einst Gefangener in Johannesburg. Heute führt er Besucher durch die Apartheid-Erinnerungsstätte.

© Gerd W. Seidemann

Dabei war die Verköstigung ohnehin grausam genug. Rassentrennung auch hier. So erhielten Schwarze im Gegensatz zu „Farbigen“ oder Weißen überhaupt kein Fett, sondern lediglich ein Substitut, um die Arbeitskraft einigermaßen zu erhalten.

Auch Nelson Mandela übrigens musste zwei Mal für kurze Zeit im Old Fort einsitzen, bevor er letztlich nach Robben Island verbracht wurde. Mahatma Gandhi, der von 1903 bis 1914 als Rechtsanwalt in Johannesburg lebte, wurde 1907 wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt für ein Jahr von den Briten ebenso hier eingekerkert. An beider Geschichte wird im Old Fort ausführlich auf Schautafeln erinnert.

Zeitreise auf Knopfdruck

Denis Goldberg, Widerstandskämpfer
Denis Goldberg, Widerstandskämpfer

© Gerd W. Seidemann

Ein Erinnerungsort ganz anderer Art präsentiert sich in Rivonia am nördlichen Stadtrand von Johannesburg, wo sich heute eher vermögende Bürger eingerichtet haben. Auf der kleinen, unscheinbaren Farm Liliesleaf hatte der „Umkhonto we Sizwe“, der militärische Arm des African National Congress (ANC), Unterschlupf gefunden. Das Areal lag damals noch außerhalb der Stadtgrenzen, war von weißen Sympathisanten des ANC gekauft worden und eignete sich offenbar hervorragend als Versteck für den Teil der Schwarzenbewegung, der nicht allein mit friedlichen Mitteln gegen die Willkürherrschaft vorging.

Als vermeintliche Arbeiter auf Liliesleaf fiel ihr Kommen und Gehen nicht weiter auf. Der Besucher findet heute eine moderne, interaktiv gestaltete Gedenk- und Forschungsstätte, mit Auditorium, einigen original erhaltenen Wohnhäusern und Hütten sowie angeschlossenem Restaurant.

Auf Liliesleaf treffen wir auf Denis Goldberg. Der 1933 in Kapstadt geborene Spross jüdischer Einwanderer war Mitbegründer des „Congress of Democrats“, einer Organisation weißer Kommunisten, die den ANC unterstützten. Goldberg war aktiv an militanten Planungen beteiligt und musste am 11. Juli 1963 auch das Ende von Liliesleaf als Versteck selbst miterleben.

Mahatma Gandhi, Büste im Old Fort
Mahatma Gandhi, Büste im Old Fort

© Gerd W. Seidemann

Durch einen bis heute nicht aufgeklärten Verrat hatte die Polizei Kenntnis vom geheimen Hauptquartier der Rebellen bekommen. Es kam zu einer Razzia, nahezu alle führenden Köpfe der Widerständler wurden festgenommen, die – Ironie des Schicksals – nach dem Treffen die Farm aufgeben und sich ein anderes Versteck suchen wollten.

Eine Hütte voller Wissen

„An dem Tag habe ich im Haus geschlafen. Dabei hätte ich eigentlich in die Stadt fahren sollen, aber ich war einfach zu müde“, erzählt Goldberg mit einem Achselzucken. Ein Jahr später wurde er gemeinsam mit Nelson Mandela und anderen im sogenannten Rivonia-Prozess zu einer mehrfach lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Goldberg saß schließlich 9704 Tage in einem Gefängnis in Pretoria.

Sein Engagement für Liliesleaf als Erinnerungsstätte ist also nur zu verständlich. Und Goldberg, bis heute Mitglied der Kommunistischen Partei Südafrikas, gilt als genialer Sammler von Spenden und emsiger Eintreiber von öffentlichen Mitteln für die Einrichtung. Entsprechend aufwendig ist vor allem das interaktive Museum gestaltet.

Mit Unterstützung technischer Raffinessen sind in den original erhaltenen Hütten „Wissensstationen“ installiert, an denen der Besucher auf Knopfdruck spannende, digital aufbereitete Film-, Foto- und Tondokumente aus den frühen 1960ern erleben, mehr zu Anliegen und Kampf der Widerständler erfahren kann. Eine Zeitreise, die niemand vergessen wird, ebenso wenig wie einen Besuch im Old Fort.

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