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Sansibar: Im Spiel der Sonne

Der Duft von Nelken liegt über Sansibar, der Insel im Indischen Ozean. Doch neben Gewürzen bietet die Insel Strände – und ein Weltkulturerbe.

Sansibar. Insel im Indischen Ozean und – unverzeihlich pauschal gesprochen – jener Teil des schwarzen Kontinents, der augenscheinlich so ganz anders ist als der Rest. Sansibar, das ist dort, wo die Sonne brennt und der Tag gemächlich seinen Lauf nimmt. Dort, wo man das Safarihemd, gerade noch in Tansania getragen, gegen den Bikini tauscht und den Jeep gegen die Sonnenliege.

Sansibar. 1658 Quadratkilometer Korallenkalk mitten im tiefsten Meeresblau. Gut halb so groß wie Mallorca und zunächst kaum mehr als ein Flughafen ohne Gepäckband. Dafür hat sich das Eiland zumindest eine Teilautonomie zum 35 Kilometer entfernten Mutterland Tansania bewahrt, hisst eine eigene Flagge und drückt den Touristen einen eigenen Stempel in den Pass.

Sansibar also. Spice Island, die Insel der Gewürze. Statt nach Zimt und Nelken riecht es zunächst jedoch nach Brackwasser und dem Zweitaktgemisch der Vespas, die sich in teils aberwitzigen Manövern ihren Weg in den Kern von Sansibar Stadt bahnen. Vorbei an Plattenbauten, wie man sie am Indischen Ozean nicht erwartet. „Schaut Euch das ruhig an. Das hat in den 60er Jahren ein Architekt aus eurer Heimat gebaut“, sagt Taib, der Fahrer. Eine Entschuldigung scheint am Platz, doch der Sansibari winkt ab: „Lasst mal. Die Wohnungen sind sehr beliebt.“ Mehrgeschossige Klötze, in deren ehemals grauem Beton Zeit und Klima ein grünschwarzes Muster gefressen haben, passen so gar nicht zu den Erwartungen der Besucher. 2010 war die letzte Wahl auf Sansibar – und niemand hat es bislang für nötig befunden, die alten Plakate zu entfernen.

Müsste nicht alles ganz anders und makellos sein? Auf Sansibar, jener Perle aus Tausendundeiner Nacht, von der erzählt wurde, damals im Geschichtsunterricht? Jener Nelkeninsel, die der deutsche Kaiser 1890 an Großbritannien abtrat im Tausch gegen das 800 Mal kleinere Helgoland. Kardamom-Kaffee gegen Friesentee. Ein umstrittener Handel. Und ein dreister noch dazu. Denn Sansibar war nie deutsche Kolonie. Stattdessen verleibten sich die Briten ein bis dahin freies Sultanat ein.

Rund 50 Jahre zuvor, 1832, hatte Sultan Sayyid Said seinen Regierungssitz von Muscat im heutigen Oman auf die afrikanische Insel verlegt. War mit Harem und Hofstaat angerückt und hatte abkassiert. Beim Handel mit Gewürzen, Elfenbein – und Menschen. Sansibar, Zanzibar im Rest der Welt, Unguja auf Suaheli, bedeutet „Land der Schwarzen“. Das Wort „frei“ jedoch wurde im Sultanat als erstes gestrichen: Sklaven waren jene, die nach endlosen Märschen durch das Innere Afrikas etwa vom kleinen Küstenort Bagamoyo aus nach Sansibar verschifft wurden.

Im Herzen von Sansibar Stadt zwängen sich heute Touristen in jene winzigen Katakomben, in denen Männer, Frauen und Kinder – oft schon halbtot – darauf warteten, auf dem Sklavenmarkt zur Schau gestellt zu werden. Enge, Finsternis und Feuchtigkeit lassen sie kaum atmen. Erst 1873 wurde der Menschenmarkt geschlossen. Offiziell. Doch der Handel ging drei Jahrzehnte lang weiter. Bis zu 40 000 Menschen jährlich wurden von Sansibar aus in den Rest der Welt entführt.

Auf dem Marktplatz, vor der Basilika, erinnert ein Mahnmal an die traurige Geschichte der Insel. Oft stehen Touristen davor, um es zu fotografieren. In der Kirche ertönen katholische Choräle, die heutige Predigt handelt von Frieden und Freiheit. Und hoch über den Gläubigen malen der Turm der Kirche und das Minarett der angrenzenden Moschee eine perfekte Gerade in den Himmel. Das Leben scheint friedlich auf Sansibar, die ganze Welt, so wirkt es, ist hier zuhause.

Da sind Afrikanerinnen in bunten Kanga-Tüchern, Araber mit Kofie und in weißer Dischdascha, dem knöchellangen Gewand. Da sind Inderinnen im Sari und hochgewachsene Küstenbewohner, die Suaheli sprechen und auf afrikanische und arabische Vorfahren zurückblicken. Und jenseits von tristen Plattenbauten gibt es einen Ort, an dem all diese Menschen zusammenkommen. Ein Ort, an dem Sansibar vielleicht so ist, wie sich der Reisende die Insel vorgestellt hat. Anders, oft wunderschön: Stone Town, der alte Kern der Hauptstadt, mit ihren legendären Türen, deren Schnitzereien schon auf der Schwelle dem Besucher zeigten, womit der Besitzer handelte. Doch Stone Town, seit dem Jahr 2000 Unesco-Weltkulturerbe, bröckelt in beängstigender Weise vor sich hin. Jedes Jahr zur Regenzeit stürzen ein paar der 120 Jahre alten, von Wind und Wetter zerfressenen Gebäude ein, die nie auch nur einen Krümel Zement gesehen haben, sondern aus dem errichtet wurden, was das Meer liegen ließ: Korallenblöcke und Findlinge aus Muschelkalk.

In Sachen Tourismus haben die Sansibari bis zum Ende der achtziger Jahre einiges verschlafen. Damals löste sich Tansanias Traum vom Sozialismus in Rauch auf. Und selbst drei Jahrzehnte später ist die Insel im Indischen Ozean noch immer nicht viel mehr als ein Ferienziel auf der Liste jener, die sich bei einem kurzen Badeurlaub an herrlichen Sandstränden noch schnell den Safaristaub des Festlandes abwaschen wollen. Oder zum Geburtshaus des schillerndsten Sansibari pilgern: Freddie Mercury, eigentlich Farrokh Bulsara, verstorbener Sänger der Band Queen. Einige jedoch verlieren sich auch ans Nordende der Insel, nach Nungwi, seit 200 Jahren Zentrum der Schiffsbauer. Dorthin, wo in einem einzigen Brett aus rotem Mahagoni ein ganzer Tag Muskelkraft steckt, Nägel aus Eisenschrott geschmiedet werden und mit Handbohrern und Augenmaß aus knochenhartem Teakholz ein besonderes Segelschiff, eine arabische Dau entsteht. Arbeit für fünf Männer. Zumindest für einen Monat.

Sansibar. Dieser Name steht nicht zuletzt auch für Sand, für Sonnenuntergänge und Flitterwochen. Schließlich erzählt man sich hier die vielleicht romantischste Liebesgeschichte des 19. Jahrhunderts: jener Liebe zwischen Prinzessin Sayyida Salme bint Said bin Sultan Al Bu Sa'id und dem deutschen Kaufmann Heinrich Ruete. Dennoch: Ein Kuss in der Öffentlichkeit wird heute auf der mehrheitlich muslimisch geprägten Insel eher ungern gesehen. Prinzessin Salme wurde als Emily Ruete 1924 in Hamburg beigesetzt. Man erzählt sich, die Sehnsucht nach Sansibar habe sie nie losgelassen. Von dort geblieben war ihr nicht viel mehr als eine Flasche Sand.

Zurück am Flughafen ohne Gepäckband steckt je eine solche auch in den Koffern vieler Urlauber. Gefüllt mit dem weißem Sand aus dem „Land der Schwarzen“. Und der Sehnsucht nach einer Insel, die für so viel mehr steht, als für Pfeffer, Nelken und Zimt.

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EINREISE

Das notwendige Visum sollte möglichst vor der Einreise bei der zuständigen Botschaft Tansanias beantragt werden. Es kann aber auch auf den internationalen Flughäfen des Landes, dem Seehafen Sansibar oder den großen Grenzübergängen gegen eine Gebühr von derzeit 50 Euro erteilt werden.

GESUNDHEIT
Empfohlener Impfschutz gegen Tetanus, Diphtherie, Polio, Hepatitis A und Gelbfieber sowie Malariaprophylaxe.

REISEZEIT

Die Durchschnittstemperaturen schwanken zwischen 20 Grad im August und über 30 Grad im Februar. Unterbrochen wird das feuchtheiße Klima von zwei Regenzeiten zwischen März und Ende Mai sowie zwischen Mitte Oktober und November.

KULTUR

97 Prozent der Bevölkerung Sansibars sind Muslime. Entsprechend sollte man sich kleiden, also in der Stadt und in Dörfern nicht in Badekleidung oder mit freiem Oberkörper herumlaufen, sondern Schultern und Knie bedecken.

AUSKUNFT

Botschaft der Vereinigten Republik Tansania, Eschenallee 11, 14050 Berlin, Telefon: 030 / 30 30 800, E-Mail: info@tanzania-gov.de, Internet: http://www.tanzania-gov.de, www.zanzibartourism.net

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Erst vor wenigen Jahren wurde die „Jozani Chwaka Bay Conservation Area“ auf Sansibar zum Nationalpark erklärt. Mit dem 5000 Hektar großen Wald- und Mangrovengebiet soll vor allem ein Tier unter verstärkten Schutz gestellt werden, das es nur auf dieser Insel gibt: der Rote Colobusaffe, auch Sansibar-Stummelaffe genannt. „Die Menschen mochten die Affen früher nicht. Sie jagten sie, rodeten ihren Wald und töteten die Tiere, die auf ihre Farmen kamen“, berichtet Ranger Salmin Ahmad. Etwa 2000 Tiere gibt es noch – die letzten ihrer Art. „Kima Punju“, Giftaffe, werden sie oft noch von den Dorfbewohnern genannt – aus dem Aberglauben heraus, sie würden die Pflanzen, von denen sie fressen, vergiften. Doch inzwischen haben viele Sansibari ihre Meinung geändert. Auch, weil die Einnahmen aus dem neuen Nationalpark, der zudem 40 Vogelarten beheimatet, zu Teilen direkt an die Dorfgemeinschaften gehen.

Tanja Weimer

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