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Pool

© AFP

Am Pool: Wasser ist Leben

Swimmingpools gab es schon vor 4000 Jahren. Eine Kulturgeschichte

Ohne Pool geht nichts – sagen Reiseveranstalter, wenn sie von Ferienhotels für Familien sprechen. Besser noch: Die Schwimmbecken haben auch eine riesige Rutsche. Da wollen die Kinder dann hin, und die Eltern gehorchen. Rutschen kannten Platon und Hippokrates zwar noch nicht, doch auch sie planschten schon in Schwimmbecken. Und diese Faszination – ob im privaten Pool, in öffentlichen Bädern oder im Swimmingpool eines Hotels – ist geblieben. Pool signalisiert Entspannung, Erfrischung, Spaß und Lebensfreude. Dabei waren die Griechen nicht einmal die Ersten.

Die Geschichte des Swimmingpools begann schon rund 1500 Jahre zuvor. In der Stadt Mohenjo-Daro am Indus fanden britische Archäologen in den 1920er Jahren Überreste einer der frühesten Zivilisationen: Die Indus-Kultur – auf dem Gebiet des heutigen Pakistan – kannte bereits Schrift, Städteplanung und, ja, Schwimmbecken. Das größte wurde in einer Zitadelle ausgegraben: sieben mal zwölf Meter und 2,40 Meter tief. An den Maßen erkannte man, dass das Becken nicht der Körperreinigung, sondern entweder rituellen Zwecken oder dem Badevergnügen diente. Pool-Träume oder Wasserspiele im erfrischenden Nass schon vor unserer Zeitrechnung, Wellness mit der Kraft und dem Geist des Wassers bereits vor rund 4000 Jahren.

Auch im alten Ägypten und im antiken Rom gehörte Schwimmen zum guten Ton. Bei den Griechen galt sogar als ungebildet, wer weder lesen noch schwimmen konnte. Dennoch spielten Schwimmbecken in der Folgezeit, vor allem während des lebensfeindlichen Mittelalters, keine Rolle mehr: Das Badevergnügen galt als verwerflich, denn so manches Badehaus diente als verkapptes Bordell statt als Schwimmstätte. Öffentliche Badeanstalten wurden deshalb ausschließlich für die Körperpflege errichtet.

Private Bäder kamen für die breite Bevölkerung in Europa erst im 20. Jahrhundert auf. Auch der Swimmingpool wieder entdeckt und zum kleinen Luxus des Alltags. Er war und ist ein Teil jedes Agentenfilms. James Bond etwa ohne mondäne Pools wäre wie 007 ohne Mädchen.

Auch Künstler setzten sich immer wieder mit dem Thema Baden und Badekultur, Swimmingpools und Sex auseinander. Auguste Renoir zeigte Lust und Laune versprühende, barbusige Frauen („Die großen Badenden“), Lukas Cranach einige Nackedeis, die um einen Natur-Pool tanzen („Das goldene Zeitalter“). Tizian malte „Aktaion überrascht Diana beim Bade“. Das Spektrum reicht von ihm über die Impressionisten und Expressionisten zu Picasso, Pop-Art und die Malerei der Neuen Wilden in den 1980er Jahren bis zur zeitgenössischen Fotokunst.

Swimmingpools waren aber auch immer Stätten des Wettkampfs. „Warmduscher“ kannten schon die alten Griechen: Ein Bad in warmem Wasser galt als verweichlichend. Deshalb wurden auch die Schwimmwettbewerbe in ungeheiztem Wasser ausgetragen. Heute dürfen Wettkämpfer in leistungsfördernden 24 bis 28 Grad ihre Bahnen ziehen. Spitzenschwimmer legen darin, je nach Stil, zwischen 1,70 und 2,10 Meter pro Sekunde zurück.

Die Forschung ist sich sicher, dass der Mensch bereits in der Steinzeit ein guter Schwimmer war. Felszeichnungen belegen sogar eine Art Kraulstil. In den frühen Hochkulturen wurden Wettbewerbe veranstaltet und selbst im badefeindlichen Mittelalter gehörte Schwimmen zu den ritterlichen Fertigkeiten. Die ersten modernen Wettkämpfe gab es im 19. Jahrhundert und Schwimmen zählt seit den ersten Olympischen Spielen, 1896 in Athen, ohne Unterbrechung zu den olympischen Disziplinen.

Rechteckig ist bis heute Standard bei Schwimmbecken. Die Entwicklung der Swimmingpool-Formen – angefangen bei Natur-Pools und rechteckigen Natursteinbecken in der Antike – begann ja erst vor rund 20 Jahren, wenn man von ein paar wenigen Vorläufern absieht, die häufig nicht einmal über das Planungsstadium hinausgingen. Der Autor Arthur Miller, verheiratet mit Marilyn Monroe, ließ sich in den 1950er Jahren vom Architekt Frank Lloyd Wright Pläne für einen Swimmingpool zeichnen. Wright hatte wohl zu oft in den Ausschnitt von MM geguckt, oder wie sonst wäre der busenförmige Pool-Entwurf zu erklären, bei dem die Becken 25 Meter weit über einen Abgrund ragen sollten? Die Villa stand auf der Spitze eines Berges und der Pool sollte ebenfalls symbolisch eine Hommage an die Schauspielerin sein.

Dieser Marilyn-Pool wurde nie gebaut, aber später entstanden herzförmige Pools, besonders in den USA, oder terrassierte Becken in Nobelresorts, Freiform- und Überlauf-Pools, mit ovaler Form oder in der einer Acht. Ganz gleich wie: Die Magie von Swimmingpools, den sinnlichen Formen und Farben, von Kacheln, Holz und Edelstahl, manchmal kurvig, manchmal gerade, weckt unsere Sehnsucht.

Deutschlands bekanntester Barkeeper, Charles Schumann, erfand 1979 sogar einen gleichnamigen Cocktail: Der „Swimmingpool“ – bestehend aus Wodka, Ananassaft, Kokosnusscreme, Sahne und einem Schuss des grellblauen Blue Curaçao – bedient an der Bar letztlich die gleiche Sehnsucht nach Magie, Traum und ein bisschen Flucht aus der realen Welt.

In den meisten Fällen zeichneten Hotels im Kampf um die Gunst der Kunden für Pool-Innovationen verantwortlich. In Großstädten wurden Dach-Pools mit grandiosen Aussichten gebaut, in Gefilden mit unbeständigem Wetter Hallenbäder mit Schiebedach. In den Alpenresorts werden die Außen-Pools im Winter geheizt, in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Sommer gekühlt. Große Ferienhotels und Freizeitparks bauten Pool-Landschaften mit Inseln, Rutschen und Wasserpilzen.

Den Gipfel der Hotel-Pool-Kultur dürfte auf Bali das „Amankila“ bilden: Neun der Villen verfügen über ein privates Becken. Es gibt den Haupt-Pool mit drei Wasserterrassen, die sich aus Sicht des Schwimmers mit dem Meer vereinigen und einen 42-Meter-Pool zum Bahnen ziehen. Das Schwimmbecken des chilenischen Resort San Alfonso del Mar fällt dagegen weniger durch seine ausgefallene Form auf, sondern protzt einzig mit seiner Größe: Er ist 1,013 Kilometer lang.

Der neueste Trend kommt allerdings aus Europa: Freiform-Pools, die mit Kieselsteinen und entsprechender Bepflanzung einem Naturteich gleichen. In Deutschland hat zum Beispiel das Hotel Bareiss im Schwarzwald solch einen Schwimmteich, der letztlich dort wieder anknüpfen möchte, wo die Griechen und Römer begannen: im Natur-Pool.

Zwar mutet das immer noch dominierende Gletscherblau schon ein wenig langweilig an. Andererseits und überraschend ist häufig gar keine Farbe im Spiel, denn „Weiß und Wasser“, sagt Pool-Bauer Wolfgang Schmidt „ergeben bei Sonneneinstrahlung Blau“. Der Mann muss es wissen: Seit 35 Jahren baut er und seine Firma Aqua-plan Swimmingpools. Die meisten mit weißem Anstrich, weißer Folie oder seltener mit weißen Kacheln, was im Reflexionszustand eben Gletscherblau ergibt. Rund 5000 Blau- und Grüntöne stehen zur Wahl. Pool-Mosaiken sind selten, da doppelt so teuer, und Schwarz die absolute Ausnahme. Selbst intensive Unterwasserbeleuchtung schrumpft da auf Taschenlampenqualität zusammen, denn Schwarz reflektiert nicht. „Und Frauen gehen da auch nicht rein“, weiß Schmidt aus Erfahrung. „Da könnte ja eine Kröte oder ähnliches sitzen ...“

Aber es gibt auch Unikate: etwa den Dachterrassen-Pool des Hotel Unique in São Paulo. Das Design-Hotel hat ihn rot gekachelt, denn Rot mit der Bedeutung von Feuer, Hitze, Aktivität und Bewegung wirkt anregend auf alle Körperfunktionen. Rot bedeutet auch Erotik und Liebesenergie, womit wir auch wieder beim Anfang wären: der Faszination und der Sehnsucht – nach Entspannung, Erfrischung, Spaß und Lebensfreude.

Jochen Müssig

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