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Reise: An Deck in der Altstadt

Jede dritte in Deutschland gebuchte Kreuzfahrt ist eine auf dem Fluss. Für Gartenfreunde, Gourmets oder Yogajünger gibt’s spezielle Angebote

Einfach loslassen und dahingleiten: Der Fluss lässt Landschaft im Zeitlupentempo vorbeiziehen und führt hinein in die Herzen der Städte. Flussreisen werden immer beliebter. Jede dritte in Deutschland gebuchte Kreuzfahrt ist laut Kreuzfahrtstudie des Deutschen Reisebüroverbands (DRV) inzwischen eine auf dem Fluss.

Die „Autobahn der Flussreisen“ liegt dabei zwischen Passau und Budapest. Allein in der Drei-Flüsse-Stadt Passau gehen Jahr für Jahr mehr als 220 000 Gäste an Bord der etwa 110 Schiffe, die sich die Liegeplätze in der Altstadt teilen müssen. In Wien und Budapest haben manchmal so viele Schiffe nebeneinander festgemacht, dass Passagiere sich über sie ihren Weg an Land bahnen müssen. Eine nicht ganz so drangvolle Enge herrscht auf dem Rhein – mit Main und Mosel dem zweitgrößten deutschen Flusskreuzfahrtrevier.

Ob Nicko Tours oder Viking Flusskreuzfahrten, Arosa oder Tui: Die knapp zwei Dutzend Anbieter von Flussreisen auf dem deutschen Markt steigerten ihre Passagierzahlen im vergangenen Jahr um 9,3 Prozent auf 433 000 und verbuchten einen Umsatz von nahezu 472 Millionen Euro (plus 11,3 Prozent) – Tendenz steigend. Siehe auch unten stehende Grafik zum Kreuzfahrtmarkt.

Auf dieser Welle will nun auch der Reiseriese Tui verstärkt mitschwimmen. Bereits im vergangenen Jahr hieß es in Köln „Leinen los“ für die „Sonata“, das zweite Schiff des Reiseveranstalters nach der „Maxima“. Investor und Eigentümer des 20 Millionen Euro teuren Twin-Cruisers mit „besonders leisem Motor und kaum spürbarer Vibration“ ist die Premicon AG, ein auf Schiffe spezialisierter Anlegerfonds. Im Rahmen eines Chartervertrages vermarktet Tui die Schiffe exklusiv mit eigener Produktlinie und Katalog.

Der „Sonata“ – 135 Meter lang, hellblaues Design, 94 Kabinen zumeist mit französischem Balkon – sollen bis zum kommenden April vier weitere Schiffe mit Tui-Logo im Viereinhalb- bis Sechs-Sterne-Segment folgen: die baugleichen Schwestern „Allegra“ und „Melodia“, das Superschiff „Mozart“ sowie in der Luxusklasse die „Premicon Queen“. Mit sechs schwimmenden Hotels für 1052 Passagiere werden die Hannoveraner dann auf Rhein, Main, Donau und Mosel unterwegs sein.

„Eine Flussreise ist nicht nur Sisi-Romantik im Walzertakt“, sagt Tui-Deutschland-Chef Volker Böttcher. Abwechslungsreich, komfortabel und entspannend soll der „Flussgenuss“ sein und vor allem jüngere Gäste anlocken. Eine Emnid-Umfrage im Auftrag der Tui belege, dass sich 42 Prozent der unter 30-Jährigen und 48 Prozent der 50 bis 59-Jährigen eine Flussreise vorstellen könnten. Ferien auf dem Fluss hätten aber nur acht Prozent der Befragten schon einmal gemacht. Viel Potenzial also für Veranstalter.

Mit der Beliebtheit dieser Urlaubsform steigen aber auch „die Ansprüche der Gäste“, weiß Tui-Kreuzfahrtexperte Andreas Casdorff. Auch dies bestätigt die Emnid-Umfrage. Flussreisende erwarten „guten Service“ (89 Prozent), ein „abwechslungsreiches Kultur- und Ausflugsprogramm“ (75) und eine „hohe Qualität bei Speisen und Getränken“ (74). Ebenso wichtig sind „deutschsprachiges Bordpersonal“ (70) und „ein neues Schiff mit hochwertiger Ausstattung und großzügigen Kabinen“ (66 Prozent).

Statt auf Donauwalzer setzen auch andere Veranstalter auf moderne Schiffe: So lässt Viking Cruises die diesel-elektrisch betriebene „Viking Legend“ schwimmen und Lüftner Cruises aus Innsbruck hat die „Amadeus Diamond“ als schwimmendes Luxushotel ausgestattet und will mit der „Amadeus Brilliant“ ab April neue Maßstäbe setzen. Auch die Rostocker Reederei Arosa half dabei, das Seniorenimage abzulegen. „Unser Konzept aus legerem Wohlfühlurlaub, vielfältigem Freizeitprogramm und luxuriöser Ausstattung geht auf“, sagt Sprecherin Lara Vitzthum. Die Rostocker stellen mit der „Brava“ in diesem Jahr ihr neuntes Flussschiff in Dienst.

Natürlich schielen die Flusskreuzfahrtanbieter auch auf ein jüngeres Publikum – doch trotz aller Beschwörungen will es nicht recht gelingen, den gleichen Weg wie die Hochseeflotte einzuschlagen. Etwa vier von zehn Gästen (39,7 Prozent) auf Flüssen sind im Rentenalter „66plus“ – im Vergleich zu 2009 ein Anstieg um zwei Prozentpunkte, wie die jetzt vorgelegte DRV-Studie zeigt. Dies führt auch dazu, dass der Durchschnitts-Flussgast binnen zwölf Monaten um 1,6 Jahre gealtert ist und jetzt mit 59,4 Jahren schon auf das Ende seines Berufslebens blickt. Mit 1090 Euro hat er zugleich 20 Euro mehr auf den Tisch gelegt als im Jahr 2009, obwohl sich seine Zeit auf dem Wasser von durchschnittlich 7,8 auf 7,3 Tage verkürzt hat.

Dies könnte daran gelegen haben, dass heimische Gewässer besonders gefragt sind, zu denen die Anreise nicht so lange dauert. Die Donau liegt unangefochten auf Platz eins bei den Flusszielen, und erstmals habe es auch mehr deutsche Flusskreuzfahrer auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen als auf dem Nil in Ägypten gegeben, erklärte Guido Laukamp, Geschäftsführer von Viking Flusskreuzfahrten, während der ITB. „Und das, obwohl Ägypten 2010 die beste Saison aller Zeiten hatte.“

Wie gut die Nil-Saison 2011 wird, lässt sich den Experten zufolge zum jetzigen Zeitpunkt kaum einschätzen. Nach den Unruhen in Ägypten haben noch nicht alle Flussreedereien die Nil-Programme wieder aufgenommen: „Das Verhalten der Anbieter ist sehr uneinheitlich im Moment“, sagte Laukamp, der Vizevorsitzender des DRV-Schifffahrtsausschusses ist. In Ägypten habe es aber schon immer Schwankungen bei den Gästezahlen gegeben, die Branche kenne das. „Wenn man da hin will, dann sollte man eigentlich jetzt fahren“, sagte Laukamp mit Blick auf die günstigen Reisepreise.

Wenn der durchschnittliche Kreuzfahrtpassagier einen ägyptischen Stempel in seinen Pass bekommt, dann könnte es im Moment jedoch eher ein 59,4 Jahre alter Fluss- als ein elf Jahre jüngerer Hochseegast sein.

Die Auswahl an Flussreisen wird stetig größer. Und immer spezieller. Ganz gezielt sollen unterschiedliche Kundentypen angesprochen werden. Den Charakter einer Erlebnisreise hat etwa die neuntägige Kreuzfahrt auf dem Irrawadi in Birma. Von Mandalay bis Prome bereisen die Teilnehmer dieses wundersame Land, wobei die Hauptstadt Rangun am Anfang und Ende der insgesamt zwölftägigen Reise erkundet werden kann. Bei Phoenix-Reisen kostet die Tour im Oktober (zwei Termine) ab 3399 Euro inklusive Flug ab/bis Frankfurt am Main.

Dabei muss es auch gar nicht in weite Ferne gehen. So bietet Nicko Tours beispielsweise eine Reise auf der „Königstein“ von April bis Juni von Potsdam nach Dresden (oder umgekehrt) an. Acht Tage auf Havel und Elbe kosten ab 749 Euro inklusive Bahnfahrt. Ein entsprechendes Ausflugspaket (fünf Touren) kann für 159 Euro dazugebucht werden.

Darüber hinaus gibt es auch Reisen für Gourmets, Gartenfreunde oder – ganz speziell – Yogajünger, bei der Landgänge mit dem Besuch von Yogaschulen verbunden sind. Bei diesen wie den meisten Kreuzfahrten empfiehlt es sich, den Rat in einem möglicherweise spezialisierten Reisebüro einzuholen. Oft haben die Mitarbeiter dort bereits Erfahrungen auf einzelnen Schiffen gesammelt und können so aus erster Hand berichten und abschätzen, ob das jeweilige Schiff auch den Ansprüchen der Kunden gerecht wird.

Sybille Nobel-Sagolla

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