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Stelzenfischer an der Südküste Sri Lankas gehen heute weniger auf Meeresgetier. Vielmehr angeln sie Touristen, die für dieses Fotomotiv oft zur Kasse gebeten werden.

© R. Kiedrowski, p-a

Kurhotel ohne Kompromisse: Wo Ruhe in den Körper rinnt

Ayurveda-Kuren haben auf Sri Lanka eine lange Tradition. Der Tagesablauf ist gewöhnungsbedürftig. Eine Selbsterfahrung.

Eigentlich müsste man nur locker ein Stück die Küste hinabfahren. Nach einer guten Stunde wäre man dann an der Südspitze angelangt: im Hotel, wo das Klirren von Eiswürfeln in Gläsern den Sprung in den Swimmingpool akustisch begleitet, während die Abendsonne die Landschaft in warme Farben taucht. Doch die Insel heißt Sri Lanka, Indien ist nahe, und so muss sich das Auto durch einen zähen Strom von Tuk-Tuks, klapprigen Lieferwagen, suizidalen Mofafahrern und streunenden Hunden arbeiten. Mehr als drei Stunden dauert das.

Über das Barberyn Beach Hotel in Weligama hat sich längst die Nacht gesenkt. „Möchten Sie Kräuter- oder Schwarzen Tee?“, singt freundlich der Kellner im Restaurant. Am liebsten ein Bier, es war ein langer, heißer Tag. Erstaunt blicken die Augen des Kellners ob dieser seltsamen Anfrage. „Nein“, sagt er, „das gibt es hier nicht.“

Das Barberyn Beach Resort ist ein Kurhotel ohne Kompromisse. Nicht eines jener Häuser, in denen eine Bar für Begleiter und für Undisziplinierte bereitsteht, für Unterbrechungen und letzte Abende, wo Steaks gegrillt und Gin Tonics vernichtet werden. Das strenge Beach Resort, das hoch auf einer Klippe thront, schützt seine Gäste vor Ausschweifungen: keine Bar. Nicht mal eine Minibar mit kalter Cola.

Und im Zimmer hält keine Klimaanlage Insekten auf Distanz. Die Balkontüren bleiben geschlossen. Wegen Angst vor Schlangen. Auch wenn es warm ist im Zimmer. Und der Urwald in sicherer Entfernung unterm Balkon zu ruhen scheint. Doch wer Reptilien fürchtet, hört häufig Mordsgeschichten, wohin diese Viecher überall vordringen. Anne aus Köln berichtet bei Tisch, wie sie bei früheren Aufenthalten Schlangen sich von Bäumen ringeln sah. Ungiftige zwar. Aber für Ängstliche wie mich ist jede Schlange gefährlich – allein durch ihre Existenz.

Das Frühstücksbüfett bewacht Ayurveda-Ärztin Dr. Pushpa. Im gelben Sari, mit freundlichen Augen und dunklem Haarknoten, sieht sie gütig aus in ihrer Strenge. Bis zur Konsultation mögen sich die Neuankömmlinge frei vom vegetarischen Büfett bedienen, sagt sie. Dann werde man alles Weitere klären. Andere Gäste nehmen geheimnisvolle Tinkturen zu sich und füllen große Thermoskannen mit heißem Wasser. Zwar bringt der Zimmerservice jeden Morgen zwei frische, dampfende Liter, doch damit kommt nicht jeder aus.

Buße für die Sünden

Gut geschützt. Das Hotel liegt zwischen viel Grün hoch über dem Meer.
Gut geschützt. Das Hotel liegt zwischen viel Grün hoch über dem Meer.

© promo

„Man riecht bestimmt noch wochenlang nach Öl“, sagt ein Mittdreißiger, der zu dieser frühen Stunde bereits das Spa verlässt. Seine Augen leuchten. „Aber es ist ein Riesenspaß!“

Termin bei Doktor Pushpa. Mit der Dosha-Analyse beginnt jede Kur. Ziel ist es, die drei „Lebensenergien“ Vatha, Pitha und Kapha, die in etwa den Elementen Erde, Wasser und Feuer entsprechen, ins Gleichgewicht zu bringen. Ihre detaillierte Befragung ergibt: Mein Dosha ist Pitha. Keine Ananas, keine Tomaten, rät Frau Pushpa. Außerdem Verzicht auf Alkohol und Softdrinks. Na gut. Ansonsten ayurvedische Massagen, Packungen im Kräutergarten, Akupunktur jeden Morgen. Viel, sehr viel heißes Wasser. In einer Woche seien keine Wunder zu erwarten, sagt sie. Aber mit entsprechender Lebensweise daheim – keine Schokolade, keine Tiefkühlkost, nicht nachts arbeiten – sollte einiges zu richten sein.

Die Wirkung der Kur hält nicht für immer – schon gar nicht, wenn man den Körper zu Hause aufs Neue mit Giftstoffen und Stresshormonen flutet. Daher sind die meisten der überwiegend deutschen Gäste schon mehrmals hier gewesen und haben dabei eine enge Bindung zum Haus entwickelt. Der Konflikt zwischen Singhalesen und der tamilischen Minderheit hat hier nie jemanden verschreckt: In der behüteten Welt des Resorts schien er fast unwirklich. Viele wollen ein Mal im Jahr Buße für die Sünden der vergangenen zwölf Monate tun, fitter und gesünder werden. Andere sind ernsthaft auf der Suche nach Genesung oder Milderung ihrer Leiden. Geschichten von Rheumakranken – Freunden von Freunden –, die nach mehrwöchiger Kur buchstäblich die Krücken wegwarfen, machen die Runde.

In kleidsame grüne Sarongs gewickelt sitzen die Gäste im Wartebereich des Spas, aufgereiht wie bei der Tanzstunde. Die barfüßigen, in knielange blau-weiße Kleider und Schürzen gewandeten Therapeutinnen holen ihre Patienten ab. „Die hat Fingerchen! Mein lieber Scholli!“, ruft einer der Wartenden, als ein anderer der Masseurin ins Kämmerchen folgt. Nach und nach verschwinden alle in ihren Kabinen.

Warmes Öl träufelt dort auf den Körper, vierhändig werden Stress und Schlacken weggeknetet. Nach der Massage geht es in den Kräutergarten. Ermattet sinkt man dort auf die Liege und schaut blicklos auf beschilderte Kräuter. Die Therapeutinnen werfen heiße, farbenfrohe Kräuterpackungen auf verschiedene Körperpartien und bestreichen die Gesichter der Patienten mit Masken. So lässt es sich gut wegdösen, bis jemand stupst und ruft: „Madam!“ Denn weiter geht’s, entweder ins Kräuterbad oder für zehn Minuten in den Dampfkasten: ein Sarg mit Öffnung für den Kopf. Innen liegt man auf einem Holzrost. Der Deckel senkt sich – ein etwas ungutes Gefühl –, und es wird warm. Sehr warm. Nach dieser Prozedur wird der Sarong wieder festgeschnürt und der Gast taumelt davon.

„Das ist die Krise“

Termin bei Frau Doktor. Was für ein Typ bin ich? Mit der Dosha-Analyse beginnt jede Kur.
Termin bei Frau Doktor. Was für ein Typ bin ich? Mit der Dosha-Analyse beginnt jede Kur.

© promo

Um 15 Uhr stehen jeden Tag in Papier gedrehte Pülverchen, Pasten und Pillen vor dem Fenster der Apotheke bereit. Auf dem Papier ist handschriftlich der Stundenplan für die Medikation vermerkt. Dazu gibt es zwei Flaschen mit bräunlicher Flüssigkeit; eine zum Einnehmen im Morgengrauen, eine für die Mahlzeiten im Restaurant. Auf dem Rückweg von der Apotheke greifen die Gäste rasch etwas heißes Wasser auf oder im Foyer eine Tasse Tee. Dazu gibt es Kokos- und Ingwerplätzchen, doch die sind als einzige verfügbare Sünde blitzschnell vergriffen.

Bei Sonnenuntergang stehen Gäste auf dem Dach des Restaurants – nicht um sich in Ermangelung eines Sundowners hinunterzustürzen, sondern um mit Blick auf Palmenwald und Ozean Tai Chi zu betreiben. Dieser leichten körperlichen Anstrengung folgt das Abendessen. An meinem Platz steht ein geheimnisvoller Trunk. „Von Doktor Pushpa verschrieben“, verkündet der Kellner und bleibt, bis das bittere Zeug ausgetrunken ist. Zur Belohnung gibt es eine schöne Kanne Tee. Die Landesküche immerhin ist auch in ayurvedischer Ausprägung würzig-wohlschmeckend.

Dunkelheit kriecht in den halb offenen Speisesaal. Um 21 Uhr verschwinden die verbliebenen Gäste in ihren Zimmern. Zeit für letzte Arzneien, leise Gespräche und leichte Lektüre. Fernsehen gehört nicht zu den Prinzipien ayurvedischer Lebensweise, und die Abwesenheit von Animation sorgt für Ruhe und Frieden in der Anlage. Vor geschlossenen Balkontüren schlafe ich unter dem rotierenden Deckenventilator ein.

Anderntags ist alles Schmerz: Ein Ziehen im Nacken macht Sitzen und Liegen unmöglich. Ich humpele zu Doktorin Pushpa und klage ihr mein Leid. Sie schüttelt den Kopf und stellt mein Programm komplett um. Sie empfiehlt auch, bei frischer Luft zu schlafen und nicht unterm Sturm des brausenden Ventilators. Ich nicke matt. Das schmerzt. Am Pool herrscht derweil Unruhe. Menschen stehen und starren ins Gebüsch. Eine Schlange sei soeben darin verschwunden. Zum Glück ist es Zeit für die Massage, die Heilung bringen soll und der allerhand heiße Wohltaten für den gemarterten Bewegungsapparat folgen.

Der Tag verstreicht unter innerem Gejammer. „Das ist die Krise“, sagt abends mitfühlend der Kellner und bringt – eine Tasse Tee. Nachts bleibt der Ventilator aus. Kühle Luft von draußen bläht das Moskitonetz überm Bett. Am anderen Morgen ist das Zipperlein weg. Ein Wunder. Ich fühle mich leicht, beweglich und verspüre Lust – auf Kräutertee.

Schnapsglas, Dampfbad und ein Nickerchen im Kräutergarten

Klinik am Kliff. Kurgäste dürfen vor dem Frühstück an der Steilküste spazieren.
Klinik am Kliff. Kurgäste dürfen vor dem Frühstück an der Steilküste spazieren.

© promo

Die Routine des Kuralltags umhüllt die Gäste wie ein vorgewärmter Bademantel an einem kalten Morgen. Vor dem Frühstück heißes Wasser, dann Yoga oder ein Spaziergang an der Steilküste. Von dort aus lassen sich manchmal die Stelzenfischer bei ihrem Tagwerk bewundern. Ach, man möchte gern glauben, dass sie tatsächlich noch nach hergebrachter Art auf Fische aus sind. Doch es heißt, sie angeln eher Touristen, die für das Ablichten des außergewöhnlichen Motivs zur Kasse gebeten werden.

Nach dem Frühstück 45 Minuten Dämmerschlaf während der Akupunktur. Lautlos betritt man das Zimmer, in dem schon andere Patienten wie tot und mit Nadeln gespickt liegen. Zur Verständigung genügt ein grüßendes Kopfnicken; das Personal weiß, wer wo gepiekt wird.

Bald schon ist es Zeit fürs Mittagessen und Fachgespräche mit den anderen Gästen. Tanten reisen mit Nichten, Väter mit erwachsenen Söhnen, Freundinnen miteinander. Alleinreisende werden rasch integriert. Viele kennen sich sowieso, von früheren Kuren. Wir plaudern über unsere Doshas, über den Stirnguss Shirodhara, der eine dreitägige Meditation einläutet und schon manchen an die Grenzen der psychischen Belastbarkeit gebracht hat, und über die letzte Konsultation bei Doktor Pushpa.

Anschließend wickelt sich jeder in seinen grünen Sarong und tauscht die Frisur gegen eine Kopfmassage mit warmem Öl. Es folgen mehr Öl und mehr Massagen. Dann ein Schnapsglas voller Kräutersirup. Zehn Minuten Dämmern im Dampfbad, während der Schweiß vom Körper rinnt. Ruhen in heißer Packung im Kräutergarten. Das wird mein Lieblingsnickerchen. Heute stören Fliegen, ärgerlich. Ein paar Gläser heißen Wassers in der Abgeschiedenheit des eigenen Balkons. Abendessen.

Es ist nicht einfach, ein bisschen Sightseeing in diese Tagesplanung zu pressen. Ein paar Tempel, ein paar Buddha-Statuen, der Blick vom DondraLeuchtturm auf eine palmenbewaldete Halbinsel und zwei runde Buchten. Ein Ausflug zur in einer Festung gelegenen Altstadt von Galle. Nach jedem Ausflug in die trubelige Welt da draußen ist man froh, in die Geborgenheit des Kurhotels zurückzukehren. Lächelnd steht Frau Doktor Pushpa am Eingang des Restaurants.

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